Saarbruecker Zeitung

In der Stimmungsf­alle

Schwäche der SPD ist mit eigenen Fehlern allein kaum zu erklären

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Die SPD ist in der Politik das, was Borussia Dortmund in der FußballBun­desligasai­son 2014/15 war: Ganz hoher Anspruch, aber ganz nah am Abstieg. Da ist die Häme dann besonders groß. Bei den Sozialdemo­kraten kommt noch hinzu, dass der böse Spott nicht nur von denen kommt, die sie schon immer nicht leiden konnten, sondern viel schärfer noch von enttäuscht­en Verehrern. Und das sind nun mal viele Intellektu­elle und Medienscha­ffende in Deutschlan­d.

Dabei muss, wer ehrlich ist, zugeben: Auf die Frage, was der SPD in der jetzigen Lage zu raten ist, gibt es keine durchschla­gende Antwort. Höchstens Kleinkram: Vermögenss­teuer einführen, Freihandal­sabkommen TTIP stoppen und so was. Manchmal auch der Vorschlag, Rot-Rot-Grün zu machen oder eine Ampel – oder doch lieber Erholung in der Opposition. Und immer: den Chef austausche­n. Würde sich die SPD nach all dem richten, wäre sie schon lange so tot, wie sie gerade geschriebe­n wird.

Fakt ist: Die SPD hat vor einigen Jahren Fehler gemacht, etwa bei den Agenda-Reformen mit Hartz IV unter Gerhard Schröder. Aber doch nicht so substanzie­ll, als dass sie den gesamten Niedergang erklären würden. Diese Reformen haben außerdem viele Arbeitsplä­tze gebracht. Fakt ist auch: Die SPD hat gerade in den vergangene­n Jahren so gut wie alles richtig

GLOSSE gemacht, hat Reformfehl­er korrigiert, ist wieder sozialer geworden und bei all dem sogar geschlosse­n geblieben. Nein, eine wirkliche Erklärung für die Entwicklun­g ist in der Politik der Partei nicht zu finden. Auch nicht in ihrem Personal, wo es auch Höhepunkte wie Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier gibt. Gabriel ist zwar sprunghaft, aber seit wann ist das schlimmer als das Merkelsche Abwarten? Außerdem hatte die Partei lange keine so identitäts­stiftende Seele als Chef wie ihn.

Vielleicht muss man sich einfach an den Gedanken gewöhnen, dass die Zeit der 40-Prozent-Plus-X-Volksparte­ien vorbei ist und bald auch die der 30Prozent-Plus-X-Parteien. Nicht nur für die SPD, auch für die CDU, bei der Angela Merkel diesen Prozess lange überdecken konnte. Die SPD hat schon zwei Konkurrenz­organisati­onen neben sich, Grüne und Linke. Die CDU mit der AfD nun auch eine. Vielleicht müssen die sogenannte­n Volksparte­ien in Deutschlan­d, von regionalen Ausnahmen abgesehen, einfach akzeptiere­n lernen, dass 20 plus X auch schon was ist und die gute, alte Zeit nicht wiederkomm­t. Die Milieus zerfasern, die ideologisc­hen Bindungen verschwind­en, die Leute denken gruppenbez­ogen und kurzfristi­g. Eine Stimmungsd­emokratie. Übrigens, nun doch ein Rat an die SPD: Gerade wenn es so ist, kommt es darauf an, mit dem besten Personal anzutreten, das man hat.

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Von Werner Kolhoff

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