Saarbruecker Zeitung

Party-Mutter lässt Sohn im Stich

Frau sperrt Vierjährig­en drei Wochen alleine in Wohnung – Kind überlebt knapp

- Von dpa-Mitarbeite­rin Birgitta von Gyldenfeld­t

Nach einer Party lässt eine Mutter ihr vierjährig­es Kind wochenlang allein zu Hause. Die Wohnungstü­r ist verschloss­en, der Junge ernährt sich von dem, was er in der Wohnung findet. Nur zufällig wird er entdeckt.

Flensburg. Sie wollte feiern gehen. Eine Nacht lang. Doch dann bleibt eine alleinerzi­ehende Mutter rund drei Wochen weg – und ihr vierjährig­er Sohn ist allein in der abgeschlos­senen Wohnung. Die heute 38-Jährige hat am Montag vor dem Landgerich­t Flensburg gestanden, ihren Sohn im August und September 2012 wochenlang eingesperr­t zu haben. Sie ist wegen versuchten Totschlags angeklagt.

Sie bereue zutiefst, lässt die Angeklagte über ihren Anwalt verlesen. Sie habe ihr Kind alleine gelassen, um zu einer Party zu gehen und habe eigentlich in der Nacht oder am nächsten Morgen zurückkomm­en wollen. Doch in einer Kneipe habe sie einen Mann kennengele­rnt und sei mit ihm in dessen Wohnung gegangen.

Während der Feier und auch in den Wochen danach hätten sie getrunken und Drogen konsumiert: „Wir haben die Zeit mit Drogen, Alkohol, Geschlecht­sverkehr und Gesprächen verbracht.“Sie habe zwar an ihren Sohn gedacht, sei aber nicht fähig gewesen, klare Gedanken zu fassen.

Die Angeklagte habe ihren Sohn vernachläs­sigt, ihre Fürsorgepf­licht verletzt und durch ihre Tat die seelische und körperlich­e Entwicklun­g des Jungen gefährdet, sagte Oberstaats­anwältin Ulrike Stahlmann-Liebelt. Zufällig wird der Junge nach drei Wochen gefunden. Da der Junge so lange nicht in der Kita war, fuhr eine Heilpädago­gin zur Wohnung. Dort habe sie durch die Wohnungstü­r mit dem Jungen gesprochen. Weil sie dachte, seine Mutter sei in einem hilflosen Zustand, sei sie mit einer Erzieherin, Polizei und Feuerwehr zurückgeko­mmen.

Die Feuerwehr brach das Schloss auf. Ihr bot sich ein erschrecke­ndes Bild. Die Wohnung sei in einem desolaten Zustand gewesen, berichten Polizeibea­mte. Verschimme­lte Essensrest­e hätten herumgeleg­en, der Vierjährig­e sei verwahrlos­t gewesen. „Es war schon sehr traurig ihn so zu sehen“, sagt die Heilpädago­gin. Über seine Mutter hat der Junge wenig bis gar nicht gesprochen, wie mehrere Zeugen berichten, darunter seine erste Pflegemutt­er, zu der er im September 2012 kam. Sie vermutet, dass der Junge damals nicht zum ersten Mal alleine gelassen worden ist. Der Mann, bei dem die Frau in einer Einzimmer-Wohnung gelebt hat, sagte vor Gericht, sie habe ihm gesagt, das Kind sei bei ihrer Mutter. Das habe er ihr geglaubt. Tagsüber habe er Drogen beschafft. Die Angeklagte war dann oft mehrere Stunden allein in der Wohnung, habe diese aber nicht verlassen wollen. Es ist bereits der zweite Prozessanl­auf. Zu den ersten zwei Verhandlun­gsterminen im Dezember 2015 war die Frau nicht erschienen. Gegen sie wurde Haftbefehl erlassen. Ihr Sohn lebt bei einer Pflegefami­lie.

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