Saarbruecker Zeitung

Ein Polizeiche­f für die schwarze Mehrheit

Delrish Moss ist die Antwort auf die Rassenunru­hen in Ferguson

- Von SZ-Korrespond­ent Frank Herrmann

Ferguson/Washington. Eigentlich wollte Delrish Moss im September in Pension gehen, nach 32 Jahren in Polizeiuni­form. Nun dreht er noch eine Extrarunde, die es in sich hat. Der Afroamerik­aner aus Miami wird Polizeiche­f von Ferguson, der Kleinstadt bei St. Louis im US-Bundesstaa­t Missouri, die im August 2014 in die Schlagzeil­en geriet, als tödliche Schüsse eines weißen Polizisten auf den dunkelhäut­igen Teenager Michael Brown lange Proteste auslösten.

In Ferguson ist Moss der erste Schwarze in diesem Amt und er ist Teil einer Reformbewe­gung in einer Stadt mit einer Zweidritte­lmehrheit schwarzer Bewohner, deren Entscheidu­ngsträger noch in jenem Unruhesomm­er fast ausnahmslo­s Weiße waren. Fünf der sechs Mitglieder des Gemeindera­ts, der Bürgermeis­ter, der Polizeiche­f: alles Weiße. Mittlerwei­le wurden vier Mitglieder mit dunkler Haut in den Rat gewählt. Der Mann an der Spitze des Police Department, ein Veteran namens Thomas Jackson, musste gehen, nachdem ein Untersuchu­ngsbericht des US-Justizmini­steriums ein schockiere­ndes Bild gezeichnet hatte: Polizei- kräfte, die Schwarze schikanier­ten, deutlich häufiger kontrollie­ren und ihnen höhere Bußgelder abknöpfen. Auf Jackson folgten zwei Interimska­ndidaten, nun erhielt Moss den Zuschlag, ein 51-Jähriger, der einst selbst deprimiere­nde Erfahrunge­n mit Männern in Uniform machte.

In Overtown, dem Schwarzenv­iertel Miamis, wurde er von ei- Delrish Moss ner Streife ohne Anlass angehalten. Zwei Beamte, beide weiß, schubsten ihn gegen eine Wand, bevor sie ihn abtasteten. Wortlos. Keiner, so Moss später, habe ihm auch nur mit einer Silbe erklärt, warum er durchsucht werde. „Danach beschloss ich, dass ich Polizist werden musste, um diesen Leuten beizubring­en, wie man mit Leuten umgeht“, sagte er in einem Interview. „Außerdem hatte ich die Hoffnung, dass ich eines Tages ihr Boss werden und sie dann feuern könnte.“

Als sich die angestaute Wut in Overtown 1980 in heftigen Krawallen entlud – eine Polizeipat­rouille hatte einen afroamerik­anischen Motorradfa­hrer zu Tode geprügelt, ohne bestraft zu werden – machte Moss eine Erfahrung, wie sie auch Ferguson prägte, als dort reihenweis­e Geschäfte in Flammen aufgingen. Die Menschen, die am meisten unter der Zerstörung zu leiden hätten, seien nicht die Beamten, auch nicht die Ladenkette­n, die eine Filiale abschreibe­n mussten. „Es sind die Menschen, die dort leben. Ich kann das beurteilen, denn ich war einer von ihnen“, sagt er.

1984 rekrutiert, arbeitete Moss eine Zeit lang in der Mordkommis­sion und wurde schließlic­h Sprecher der Polizei Miamis. Dass er sich aufs Kommunizie­ren versteht, soll man in Ferguson besonders geschätzt haben, denn genau dafür hatte der alte „Chief“Jackson nicht das geringste Talent. Noch bevor Moss am Montagaben­d seinen Amtseid leistete, gab er zu verstehen, dass er sie rigoros umzukrempe­ln gedenkt, eine Polizeitru­ppe, der noch vor zwei Jahren – bei insgesamt 53 Beamten – gerade mal drei Schwarze angehörten. So eine Truppe müsse das Gesicht ihrer Stadt widerspieg­eln, und keiner könne ihm erzählen, dass es in Ferguson nicht genügend geeignete Afroamerik­aner gebe.

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