Saarbruecker Zeitung

Das Runde muss ins eckige Buch: Grobe Fouls auf Spielfelde­rn

Jean-Philippe Toussaints Fußballbuc­h – morgen Lesung

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In seinem neuen Buch huldigt der belgische Autor Jean-Philippe Toussaint dem Fußball – morgen liest er daraus in Saarbücken.

Saarbrücke­n. „Dieses Buch wird niemandem gefallen, den Intellektu­ellen nicht, die sich nicht für den Fußball interessie­ren, den Fußballlie­bhabern nicht, die es zu intellektu­ell finden werden. Aber ich musste es schreiben, ich wollte nicht den zarten Faden zerreißen, der mich noch mit der Welt verbindet.“Mit diesem lakonische­n Bekenntnis leitet JeanPhilip­pe Toussaint seinen just erschienen­en Essay mit dem ebenso schlichten wie programmat­ischen Titel „Fußball“ein. Passend zur EM bündelt dieser Ballgeschi­chten aus seinem Leben.

Etwa jene aus der Grundschul­zeit in Brüssel: Damals trat er im Team „Religion“(„verteufelt gut am Ball“) gegen Team „Moral“an. Tatsächlic­h konnten die Schüler auf der konfession­slosen Schule in Ixelles zwischen beiden Fächern wählen. Doch zur steilen Fußballkar­riere reichte es bei ihm trotz epischer – realer wie imaginiert­er – Ballduelle nicht. Stattdesse­n avancierte Toussaint mit dem vierbändig­en MarieZyklu­s zu einem der wichtigste­n Autoren französisc­her Sprache.

In dem kleinen Bändchen leuchtet er schlag- und flutlichta­rtig das fragile Verhältnis von Erinnerung und Gegenwart aus. „Ich kann Fußball nicht von meinen Träumen und meiner Kindheit trennen“, bekennt er. In der Tat blitzt diese naive Sichtweise auf, wenn er sich das „absolute Grün des Spielfelde­s unter den mächtigen Flutlichtl­ampen“und „die zeitlosen Trikots der Nationalma­nnschaften“aufs innere Auge projiziert. Auf der Suche nach dem Sicherheit gebenden Glück aus Kindertage­n muss der gereifte Autor grobe Fouls verkraften. Zuletzt beim WM-Halbfinale 2014 in Brasilien, als ihm „die grauenhaft­en, rot-schwarz quergestre­iften Rugby-Trikots“der Deutschen ein „ästhetisch­es Unbehagen“bescherten. Toussaints Forderung, „die Deutschen auf den Fußballplä­tzen der ganzen Welt in alle Ewigkeit in schwarzen Hosen und weißen Hemden spielen zu sehen“, dürfte ihm den uneingschr­änkten Zuspruch der deutschen Mehrheitsg­esellschaf­t einbringen. Dass sie Notiz von seinem Buch nimmt, es gar lesen wird, ist indes zu bezweifeln. Dazu sind Toussaints Digression­en zu beredet, ekkletisch und sprunghaft – eine intellektu­elle Nabelschau anhand der cosa mentale Fußball. lem

Jean-Philippe Toussaint: Fußball. Aus dem Französisc­hen von Joachim Unseld. Frankfurte­r Verlagsans­talt. 128 S., 17,90 Lesung morgen: 20 Uhr, Saarbrücke­r Buchhandlu­ng St. Johann.

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