Raffiniert ausgeklügelt
Neu im Kino: „Remainder“von Omer Fast – Reizvolles Spielfilmdebüt um simulierte Realität
Das Leben in Berlin könnte so schön sein: Partys, Schnaps und schneller Sex. Wenn da nur mit Mitte 30 nicht die Frage nach Liebe und Partnerschaft im Raum stehen würde. Wie also damit umgehen? Das erkunden fünf Freunde in der Beziehungskomödie „Wie Männer über Frauen reden“– mit viel Klamauk und wenig Tiefgang.
Die eigentliche Story ist schnell erzählt: Der liebenswerte Zottel DJ (Oliver Korittke, Foto: NFP) und der smarte Frankie (Barnaby Metschurat), Freunde seit Kindestagen, sind ewige Singles und ständig auf der Pirsch. Ihr bierbäuchiger Kumpel Marco ist mittlerweile mit einer tollen Frau verheiratet und kann sich gehen lassen, ist aber unglücklich damit. DJs Sohn Martini (Frederick Lau) hingegen träumt von der großen Liebe und sehnt sich nach mehr als Sex. Und die kumpelhafte Tine (Ellenie Salvo González) will etwas Festes, ist aber von ihren Dates mit Losern und Yuppies enttäuscht.
Ein Mann und eine Frau, die jahrelang platonische Freunde sind, aber häufiger mal in einem Bett schlafen: Die nicht gerade unerwartete Wendung löst Stress in der Gruppe aus. Wie die fünf miteinander umgehen, erinnert allerdings eher an Teenager als an Mittdreißiger. Unglückliche Zufälle führen zu Missverständnissen, Kurzschlussreaktionen zu Ärger. Dreh- und Angelpunkt der Clique ist Frankies Bar im Berliner Kiez Kreuzberg, in der DJ auflegt.
„Wie Männer über Frauen reden“ist vor allem derb und zotig. Auch die Frauen bemühen sich, da mitzuhalten. Krawalliger Ulk ist an der Tagesordnung, subtilen Humor gibt es hier nicht, dafür reichlich Klischees über Midlife Crisis und Torschlusspanik. (D 2016, 89 Min., Regie: Henrik Regel) Oliver Korittke Achteinhalb Millionen – das war der Titel des Romans, mit dem der Engländer Tom McCarthy seinen ersten Welterfolg feierte und 2009 auch in deutscher Sprache vorstellte. Es geht um die enorme Summe von achteinhalb Millionen Pfund Sterling, die ein gewisser Tom zugestellt bekommt.
Der Mann sieht arg ramponiert aus, weil er vor Monaten auf offener Straße von einem Trümmerstück begraben wurde, das aus heiterem Himmel herabfiel. Tom erlitt schwerste Verletzungen, von denen er sich erst ganz allmählich erholt. Zwar ist sein Körper noch immer nicht in allen Belangen wieder hergestellt, doch in Toms Kopf hat sich eine Idee herausgebildet. Er will Gedächtnislücken schließen und dafür will er Erinnerungsfetzen quasi live nachstellen lassen.
Ein Privatermittler mit Namen Naz lässt sich dafür anheuern und beginnt Toms Schleier zu lüften, indem er ein bestimmtes Haus kauft, in dem bestimmte Leute auf Abruf bestimmte Tätigkeiten auszuführen haben. Stellen sich Erfolge ein, beginnen sich Assoziationsketten zu schließen. Doch als nächstes lässt Tom einen Banküberfall nachstellen, mit scharfer Munition, an realem Schauplatz.
Es ist schon eine raffiniert ausgetüftelte Story, an der sich der in Jerusalem geborene israelische Filmautor Omer Fast in ausgesucht fiesen Londoner Kulissen abarbeitet. Ganz allmählich kommt die Geschichte in Erinnerung, Wirklichkeit, Identität: Tom (Tom Sturridge) und Catherine (Cush Jumbo). Gang, wenn Tom Sturridge in schwer angeschlagener Verfassung als denkbar unsympathische Identifikationsfigur einen Story-Parcours betritt, der es darauf anlegt, dem Zuschauer auch die eigene Cleverness unter die Nase zu reiben. Was sich im absehbaren Überraschungskniff als erzählerische Spielart eines Möbiusbands entpuppt, laviert nicht ungeschickt im Fahrwasser von Mystery-Episoden aus der „Twilight Zone“und dem Frühwerk von Christopher Nolan. Bei dem war die formale Umsetzung wichtiger als der Inhalt, solange man der Richtlinie folgte, sich das Vergnügen nicht durch intelligentes Nachfragen zu verkorksen. Nun reicht Fasts inszenatorische Finesse zwar nicht an Antonioni, DePalma oder eben Nolan heran, aber die Karriere im MindfuckGenre (Simulierte Realität) zu eröffnen, zeugt von dickem Fell – und einer gesunden Portion Kultsucht.
GB/Deutschland 2015, 103 Min., Filmhaus (Sb); Regie, Buch: Omer Fast; Kamera: David Slama; Musik: Tommy Finke; Darsteller: Tom Sturridge, Cush Jumbo, Arsher Ali, Ed Speleers, Laurence Spellman. Bundesstart, aber noch nicht in den Kinos der Region: „Victor Frankenstein“von Paul McGuigan mit Daniel Radcliffe Dieses Monster ist einfach nicht totzukriegen. Seit den Stummfilmzeiten geistert das künstliche Geschöpf des Dr. Frankenstein über die Leinwände. Legendär ist die expressionistische Version mit Boris Karloff (1931). In den 1970er Jahren veralberte Mel Brooks die Schauermär in „Frankenstein Junior“, und alle paar Jahre erwacht das Ungeheuer erneut zu schaurigem Leben.
Nun hat der britische Regisseur Paul McGuigan den Roman von Mary Shelley (1818) in ein hochtouriges Action-Abenteuer verwandelt, bei dem ganz deutlich die „Sherlock-Holmes“-Filme von Guy Ritchie als visuelles Vorbild dienten. Mit „Harry Potter“-Star Daniel Radcliffe und James McAvoy ist das Werk auch prominent besetzt. Nur leider verpufft in diesem Fall nach vielversprechendem Auftakt die Energie zu schnell.
Wenn nach langem Vorlauf das Monster mit Hilfe von ganz viel Elektrizität im Mega-Gewitter an der schottischen Küste endlich sein vernarbtes Haupt erhebt, ist das Interesse der Zuschauer weitgehend erloschen. Der Funke will trotz gigantischer Computertricksereien einfach nicht überspringen. Die erste halbe Stunde allerdings ist stark und originell: Paul McGuigan rückt den buckligen Gehilfen Igor (Radcliffe) in den Mittelpunkt. Das Medizin-Genie wird in einem Zirkus wie ein Tier gehalten. Dr. Frankenstein (McAvoy, „X-Men“) erkennt Igors Fähigkeiten und befreit ihn aus den Klauen des sadistischen Zirkusdirektors. Dann verwandelt er das Scheusal in einen gutaussehenden Jüngling - der Buckel verschwindet, der hochtalentierte Igor lernt richtig gehen und bald auch tanzen. Das ist Frankensteins Geschöpf, der Rest ist Stückwerk. Jetzt folgen Lichtblick in der KrachBumm-Inszenierung: Daniel Radcliffe als Igor. harmlos-hübsche Bilder aus dem Baalsaal. Igor verliebt sich in die fragile Trapezkünstlerin Lorelei (Jessica Brown Findlay), aber das Drehbuch kann mit dieser Romanze wenig anfangen.
Die Affäre bleibt banal, die Abgründe der Sexualität und das Monster im Mann interessieren den Film nicht. Der lässt lieber dem Wahnsinn freien Lauf, mit rollenden Augen, zuckenden Blitzen und grimassierenden Visagen. Im Korsett dieser Krach-Bumm-Inszenierung haben die Schauspieler allerdings kaum eine Chance, sich zu profilieren. Nur Daniel Radcliffe spielt durchaus glaubwürdig den verwandelten Buckligen. James McAvoy dagegen bleibt recht blass und Jessica Brown Findlay ist nur schmückendes Beiwerk. (USA 2016, 110 Min.)