„Nein heißt nein“
Bundestag verschärft das Sexualstrafrecht – Neuer Paragraf sieht fünf Jahre Freiheitsstrafe vor – Kritik von der Opposition
Im wenigen Wochen gilt im Sexualstrafrecht das Prinzip „Nein heißt Nein“. Gestern verabschiedete der Bundestag ein wesentlich verschärftes Strafrecht. Im Folgenden die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.
Was hat der Bundestag im Kern beschlossen? Sexuelle Gewalt kann nach der Neuregelung künftig leichter geahndet werden. Der von allen Fraktionen begrüßte Grundsatz „Nein heißt Nein“bedeutet, dass sich nicht nur derjenige strafbar macht, der Sex mit Gewalt oder Gewaltandrohung erzwingt. Nun soll ausreichen, wenn sich der Täter über den „erkennbaren Willen“des Opfers hinwegsetzt. Dann drohen bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. „Wenn Täter nicht bestraft werden können, bedeutet das für die Opfer eine zweite Demütigung“, betont Justizminister Heiko Maas (SPD).
Was hat die Koalition im Laufe der Reform-Verhandlungen ergänzt? Hinzugekommen sind die Straftatbestände der sexuellen Belästigung und – vor allem auf Druck der Union – der sexuellen Angriffe aus einer Gruppe heraus. Diese Zusatzpunkte gehen auf die massenhaften Übergriffe in der Silvesternacht zurück – nach Zeugenaussagen waren die Täter überwiegend junge Männer aus dem arabisch-nordafrikanischen Raum. „Grapschen ist kein Flirten, und das muss jetzt auch der Letzte begriffen haben“, sagte die hörbar bewegte SPD-Vizefraktionschefin Carola Reimann.
Worüber regt sich die Opposition auf? Mit der Strafbarkeit von Sexualdelikten aus einer Gruppe – wie in Köln – lenke die Koalition „den Blick vom Selbstbestimmungsrecht der Frau auf den Täter“und produziere Fremdenfeindlichkeit. Da zeige sich „das Politikverständnis weißer alter Männer“, schäumt die Linke-Rechtsexpertin Halina Wawzyniak. Die SPDKollegin Elke Ferner entgegnet: „Jeder in einer Gruppe hat die Möglichkeit, einzugreifen“und eigener Schuld zu entkommen. Die Grünen beklagen das Problem der Beweisbarkeit von Sexualattacken aus einer Menschenmasse. Beide Oppositionsparteien kritisieren, dass das Sexualstrafrecht künftig Konsequenzen im Aufenthaltsgesetz habe – weil eine Verurteilung auf wackliger Rechtsbasis schneller zur Ausweisung führen könne.
Wie kam es zu der Reform? Deutschland muss internationale Rechtsnormen umsetzen, daher erarbeitete das Bundesjustizministerium einen zunächst weniger weit gehenden Gesetzentwurf. Im März segnete das Kabinett den Vorschlag ab. Der ging vielen Fachleuten, Politikern und auch dem Bundesrat aber noch nicht weit genug, weil unter anderem das Prinzip „Nein heißt
Das Model Gina Lisa Lohfink sagt, sie wurde Opfer einer Vergewaltigung. Die vermeintlichen Täter wurden aber nicht bestraft – zur Empörung vieler.
Nein“nicht klar festgeschrieben war. Maas, der früher oft auf Beweisprobleme in diesem intimen Bereich hingewiesen hatte, bezog viel Prügel.
Was sagen Skeptiker außerhalb der Politik? Nach Ansicht der Kieler Sexualstrafrechtsprofessorin Monika Frommel ist die Reform im Hinblick auf den Aspekt Gruppenstraftaten „offenkundig verfassungswidrig“. Denn dann könne im Fall einer Vergewaltigung bestraft werden, wer nur Teil der Gruppe, aber an der Tat nicht beteiligt gewesen sei. Das neue Gesetz werde auch kaum zu einer Verbesserung der Verhältnisse führen. Schon seit der Reform des Vergewaltigungsparagrafen von 1997 sei die Zahl der Sexualdelikte fast um die Hälfte zurückgegangen. Unbehagen wird auch in Feuilletons großer Zeitungen formuliert. Eine „Zeit“-Autorin sieht für die Geschlechterverhältnisse eine Katastrophe herannahen: „Was leidenschaftliche Liebesnacht und was Vergewaltigung war, definiert die Frau künftig am Tag danach.“dpa