Saarbruecker Zeitung

Eine neue Grenze

Der Bundestag verankert den Grundsatz „Nein heißt Nein“

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Jetzt sind die „ZierDich-Doch-NichtSo“-Zeiten hoffentlic­h endgültig vorbei. Sexuelle Belästigun­g ist anders, als man(n) früher häufig dachte, kein Kavaliersd­elikt. Grapschen auch nicht. Und fortan ist die Grenze immer dann schon überschrit­ten, wenn jemand gegen den erkennbare­n Willen des Opfers verstößt. Nein heißt endlich Nein. Lange ist darum gekämpft worden. Der Bundestag hat dafür nun den Weg freigemach­t. Gleichwohl bedurfte es dafür erst der Ereignisse in Köln und anderen Städten in der Silvestern­acht – weniger des dann doch undurchsic­htigen Falls „Gina-Lisa“.

Fakt ist freilich: Es gibt jährlich nur eine kleine Zahl von Fällen, bei denen die Beweise gut und überzeugen­d sind, aber die Rechtslage eine Verurteilu­ng verhindert. Meist scheitert es bei Sexualdeli­kten an der Nachweisba­rkeit. Das wird auch so bleiben. Auch zukünftig wird in den allermeist­en Fällen Aussage gegen Aussage stehen. Denn bei Sexualtate­n sind meist nur zwei Personen anwesend. Letztlich kommt es dann auf die Stichhalti­gkeit der Aussagen und die Glaubwürdi­gkeit der Betroffene­n an. Wie bei jedem anderen Verfahren auch. Und natürlich gilt weiterhin: In dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagte­n. Erinnert sei da nur an den Fall des Wettermann­es Jörg Kachelmann und seinen Freispruch.

Die Botschaft des Bundestags­beschlusse­s ist deshalb eine andere: Erstmals wird das sexuelle

GLOSSE Selbstbest­immungsrec­ht konsequent und umfassend im Strafgeset­zbuch verankert. Das ist neu, und das ist ein wichtiger Schritt insbesonde­re für die Frauen. Ein Nein zu sexuellen Handlungen wird somit rechtlich viel ernster genommen werden, als das bisher der Fall gewesen ist. Und das wiederum ist ein klares Signal an mögliche Täter. Darum geht es. Vielleicht setzt bei manchem ein Umdenken ein, womöglich nicht aus Unrechtsbe­wusstsein, aber aus Sorge vor Strafe. Justizmini­ster Heiko Maas sollte übrigens dann doch eher verhalten jubeln – zu dieser Reform musste er sich erst drängen lassen. Denn anfänglich führte sein Ministeriu­m immer wieder Bedenken ins Feld, der Grundsatz „Nein heißt Nein“könnte zu zahlreiche­n Falschanze­igen führen.

Warum künftig auch der Versuch unternomme­n wird, die Strafbarke­it von Sexualdeli­kten aus der Gruppe zu ahnden, liegt auf der Hand. Das ist vor allem den Ereignisse­n der Silvestern­acht geschuldet. In Köln hat sich gezeigt, dass hier offenbar erhebliche rechtliche Defizite zulasten junger Frauen bestanden, die nun beseitigt werden. Ob praktisch erfolgreic­h, wird sich zeigen. Aber auch hier ist die Botschaft eindeutig: Es geht um eine klare Verurteilu­ng von sexuellen Handlungen gegen den Willen der Opfer – zu jeder Zeit, in jeder Situation. Hinzufügen muss man: Und es ist egal, welcher Herkunft derjenige ist, der sie begeht.

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Von Hagen Strauß

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