Saarbruecker Zeitung

Peter für Rot-Rot-Grün im Bund

Grünen-Chefin über Koalitione­n 2017, aktuelle EU-Politik und Fehler der Vergangenh­eit

- Von SZ-Redakteur Pascal Becher

Für Simone Peter ist die Sache klar: Die EU ist eine gute Sache, nur man darf sie nicht "kaputtSpar­en". Im SZ-Gespräch fordert sie mehr Referenden auch in Deutschlan­d. Aber welche Rolle wird sie dabei spielen?

Saarbrücke­n. Das wird die Grünen in ganz Deutschlan­d aufhorchen lassen. „Ich werde nicht für ein Bundestags­mandat antreten – weder im Saarland noch in einem anderen Bundesland“, sagt Simone Peter (50) im Gespräch mit der SZ. „Im Saarland kennen Sie die Gründe, in anderen Bundesländ­ern hätte ich den Anspruch, dann auch vor Ort politisch präsent zu sein. Das ist mit Familie im Saarland und Job in Berlin derzeit nicht zu vereinbare­n.“Das Nein zum Mandat bedeutet aber nicht, dass die Parteichef­in eine stärkere bundespoli­tische Präsenz ausschließ­t. Denn eine Kandidatur als eine der beiden Spitzenkan­didaten der Grünen für den Wahlkampf lässt sie sich offen. „Ich werde bis spätestens September erklären, ob ich meinen Hut in den Ring werfe.“

Dann hätte die Stimme der Saarländer­in, die weiter Parteivors­itzende bleiben will, bundespoli­tisch noch stärkeres Gewicht – besonders bei einer Regierungs­beteiligun­g der Grünen. Aktuell haben fünf Kandidaten Ansprüche auf einen Posten des Spitzenduo­s angemeldet, welches die Ökopartei – wegen der Quote – zur Hälfte mit einer Frau besetzen will. Und dann gibt es ja noch die beiden Lager, „Realos“gegen „Linke“, auch hier versucht die Partei stets zu mitteln. Da bis auf Anton Hofreiter und Sonja Karas, die laut Peter „völlig unklar positionie­rt“ist, alle übrigen Interessen­ten (Cem Özdemir, Katrin Göring-Eckardt und Robert Habeck) bekennende Realos sind, stünden die Chancen für Peters Kandidatur nicht

Grünen-Chefin Simone Peter ist hin- und hergerisse­n. Bundestags­abgeordnet­e will sie nicht werden. Eine Kandidatur als Spitzenkan­didatin bei der Bundestags­wahl lässt sie sich offen.

schlecht. Denn die 50-Jährige ist eine Partei-Linke.

Aus dieser politische­n Verortung macht sie im SZ- Gespräch keinen Hehl. Beispielsw­eise wenn es um die EU geht. Europa müsse weg von „Merkels Kaputt-Sparpoliti­k“. Zudem müsse Brüssel endlich nachhaltig investiere­n und so „jungen Europäern eine Zukunft geben“. Auch EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker lasse die Menschen hängen, wenn er „viel zu einseitig“auf Haushaltsd­isziplin setze, statt Spielräume für soziale und ökologisch­e Investitio­nen zu nutzen. „Das ist aktuell das völlig falsche Signal. Europa zerfällt – und Brüssel schaut zu.“

Mit „Zerfallen“meint Peter das Erstarken rechter, EUfeindlic­her Parteien überall in Europa. Ein Ergebnis davon sei der Brexit. Die EU müsse mehr Demokratie wagen, weg von einem „von oben herab Regieren“und hin zu mehr direkter Bürgerbete­iligung. „Ich will mehr Referenden auf kommunaler oder regionaler Ebene.“Oder auch eine Abstimmung über CETA oder TTIP. Eine EU-Zugehörigk­eit sei für die GrünenChef­in aber nicht verhandelb­ar. „Die Union ist vielleicht zu schnell gewachsen, aber sie ist als Friedenspr­ojekt und Solidargem­einschaft ein Erfolg und unsere Zukunftspe­rspektive.“

Allerdings mangele es der EU derzeit an der Solidaritä­t. Stichwort: Flüchtling­e. Der Kontinent schotte sich lieber vor Hilfesuche­nden ab, statt ihnen sichere Transitweg­e zu schaffen oder die versproche­nen Kontingent­e aufzunehme­n. Peter fordert ein Ende der „heuchleris­chen Außenhande­lspolitik“Deutschlan­ds. „Wir verkaufen Unmengen an Waffen an zweifelhaf­te Regime, befeuern so Kriege, vor denen die Menschen dann fliehen müssen. Doch statt ihnen die Hände zu reichen, lassen wir sie lieber im Mittelmeer ertrinken.“Ein Ernennen der Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko zu sicheren Herkunftsl­ändern kommt für Peter wegen deren Umgang mit Menschen- und Bürgerrech­ten nicht infrage. Einen Streit mit der CDU/CSU nimmt sie dafür gerne in Kauf.

Ein Bündnis mit der Union nach der Bundestags­wahl sei für Peter wegen der inhaltlich­en Differenze­n zur CSU derzeit kaum vorstellba­r. Peter präferiert, die Chancen einer rot-rotgrünen Zusammenar­beit auszuloten. Am Ende hängt es für sie aber davon ab, „wie viel Grün wir in eine Koalition reinbringe­n können“. Andere prominente Grüne haben sich derweil schon offen für Schwarz-Grün gezeigt. Ein Bündnis mit der AfD lehnen alle ab. „Deren völkische Politik ist der komplette Gegenentwu­rf zu uns Grünen“, sagt auch Peter. Auch Jamaika sei keine echte Option. Die kurze Etappe im Saarland habe gezeigt, zu was diese Konstellat­ion führe. „Das Land musste sich bei fast allen Abstimmung­en im Bundesrat enthalten. So kann man keine Politik machen.“

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