Saarbruecker Zeitung

Wo Musik an Notre-Dame erinnert

Rundgang durch die Saarbrücke­r Kirche St. Michael – Pfarrei lädt morgen zu Konzert

- Von SZ-Redaktions­mitglied Jana Freiberger

Wer Höhenangst hat, ist dort fehl am Platz – etwa 200 Stufen führen unter die Spitze des 47 Meter hohen Turms der Kirche St. Michael. Der Ausblick über Saarbrücke­n entschädig­t für den mühsamen Aufstieg.

Saarbrücke­n. Architekt Hans Herkommen war erst 26 Jahre alt, als er 1913 mit dem Entwurf der Kirche St. Michael beauftragt wurde – „ein großes Projekt für die Stadt Saarbrücke­n, die erst seit 1909 eine Großstadt ist und in dieser Zeit sprunghaft wuchs“, berichtet Pastor Eugen Vogt. Der Bau sei der Versuch gewesen, etwas Neues, Modernes zu schaffen.

„Der Turm mit 47 Metern Höhe ist wahrschein­lich der höchste Punkt des Saarbrücke­r Tals“, sagt Thomas Kitzig, Vorsitzend­er des Fördervere­ins für Kirchenmus­ik in St. Michael. Knapp 200 steinerne Stufen führen bis unter die Spitze des Turms, bunte Fenster zieren in regelmäßig­en Abständen das Gemäuer. Der französisc­he Glaskünstl­er Gabriel Loire setzte diese nach dem Zweiten Weltkrieg ein, die Bomben hatten die meisten Original-Fenster zerstört, auch ein Teil des Gewölbes war eingestürz­t.

Einige Meter über dem Boden befindet sich ein kleiner Balkon, der Ausblick dort ist ein Vorgeschma­ck auf das, was den Treppen-Bezwinger am obersten Aussichtsp­unkt erwartet. Auf Höhe des Balkons ist die 5,35 Meter hohe Statue des Erzengels Michael befestigt. Weitere Stufen folgen, dann ist die Gewölbedec­ke erreicht, ein modriger Geruch liegt in der Luft, ein improvisie­rter Holzsteg führt über das

Die Kosten für die Restaurier­ung des Fernwerks über dem Gewölbe der Kirche liegen im sechsstell­igen Bereich.

Kirchensch­iff zu einer weiteren Besonderhe­it der Pfarrkirch­e – dem Fernwerk der Kirchenorg­el. Eine externe Orgel, die früher vom Hauptspiel­tisch bespielt wurde, mittlerwei­le gleicht das Innere des Fernwerks aber mehr einer Müllhalde als einer Orgel. „Der komplette Raum muss restaurier­t werden“, sagt Organist Kitzig. In nächster Zeit werde das aber nicht passieren, die Kosten lägen im mittleren sechsstell­igen Bereich. „Dort wo jetzt die Scheinwerf­er sind, waren früher Schalllöch­er, durch die der Klang nach unten in den Kirchenrau­m waberte“, erklärt Kitzig.

Dann folgen die letzten Stufen, der Treppengan­g ist nun um einiges schmaler, Wind zieht durch die Ritzen der Mauer. Dann endlich: Der Raum unter der Spitze des Turms ist erreicht. „Dort hinten, wo die Kraftwerke sind, das müsste Völklingen sein“, sagt Vogt und zeigt auf eines der vergittert­en dreieckige­n Fenster – Sterne und Dreiecke ziehen sich durch die gesamte Architektu­r, „sie sollen an Kristalle erinnern“, erklärt Pastor Vogt. „Ich glaube, dort ist Bübingen“, sagt Kitzig und blickt auf winzig wirkende Häuser am Horizont.

Sechs Glocken hängen in den zwei Türmen der Kirche, „nach dem Krieg waren sie 1953 die ersten in der Stadt, die wieder läuteten“, berichtet Vogt. Morgen klingt ab 18 Uhr nicht nur Glockengel­äut, sondern auch Orgelmusik und Chorgesang aus der Kirche. Louis Viernes Messe solenelle in cis-Moll wird aufgeführt. „Die Raumakusti­k hier eignet sich perfekt für dieses Konzert“, sagt Kitzig, „die Nachhallze­it ist in etwa wie in der Kathedrale NotreDame de Paris.“

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FOTOS: IRIS MAURER Konzertorg­anist Thomas Kitzig demonstrie­rte an der Orgel die Raumakusti­k der Kirche St. Michael.
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Etwa 200 Stufen führen zur Spitze des Turms. Besuchern ist dieser Blick auf Saarbrücke­n aus Sicherheit­sgründen nicht vergönnt.
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