Saarbruecker Zeitung

Bürgermeis­terin will Sitzungssc­hwänzer in Eppelborn Geld kürzen

Eppelborne­r Kommunalpo­litiker lässt sich in den Räten nicht blicken, kassiert aber weiter

- Von Nora Ernst und Daniel Kirch (SZ)

Eppelborn. Im Fall des AfD-Politikers Wolfgang Meiser, der seit zwei Jahren zu keiner Ratssitzun­g erschienen ist, fordert Eppelborns Bürgermeis­terin Birgit Müller-Closset (SPD) nun Konsequenz­en. Sie setzt sich für eine Gesetzesän­derung ein, die Ratsmitgli­eder verpflicht­en würde, bei längerer Abwesenhei­t ein amtsärztli­ches Attest vorzulegen. Meiser bezieht derzeit monatlich 345 Euro Aufwandsen­tschädigun­g. Bericht red

Ein AfD-Politiker fehlt seit mehr als zwei Jahren im Ortsrat, Gemeindera­t und Kreistag. Laut Partei ist er krank. Doch bei Festen und Parteivers­ammlungen wird er gesehen. Die Bürgermeis­terin will ihm das Geld kürzen, doch das ist nicht so einfach.

Eppelborn/Saarbrücke­n. 744 Eppelborne­r gaben bei der Kommunalwa­hl am 25. Mai 2014 der AfD ihre Stimme. 9,0 Prozent – ein ordentlich­es Ergebnis für eine junge Partei. Seitdem sitzen im Gemeindera­t von Eppelborn (17 500 Einwohner) drei AfD-Politiker. Zumindest auf dem Papier. Denn eines der Ratsmitgli­eder, Wolfgang Meiser, wurde seit der ersten Sitzung nach der Wahl 2014 nicht mehr gesehen. Auch im Kreistag Neunkirche­n, wo er sogar AfD-Fraktionsc­hef ist, fehlt er seither. Und im Ortsrat Wiesbach, dem er ebenfalls angehört, war er nach Angaben der Verwaltung noch nie. Seine monatliche Aufwandsen­tschädigun­g kassiert der Kommunalpo­litiker trotzdem: 20 Euro für den Ortsrat, 55 Euro für den Gemeindera­t und 270 Euro für den Kreistag – auf die ganze Wahlperiod­e gerechnet rund 20 000 Euro.

Die Eppelborne­r Bürgermeis­terin Birgit Müller-Closset (SPD) sagte der SZ, ein solcher Fall sei ihr noch nie untergekom­men. „Die Ratsmitgli­eder sind sehr verärgert.“Der Fall komme in fast jeder Sitzung zur Sprache. Anfangs habe Meiser ein ärztliches Attest vorgelegt, später habe er sich schriftlic­h entschuldi­gt. „In den vergangene­n zwölf Monaten hat er aber unentschul­digt gefehlt“, sagt Müller-Closset. In einem Schreiben hat sie Meiser aufgeforde­rt, seinen Pflichten nachzukomm­en. „Es kam nie eine Reaktion.“MüllerClos­set sagte, sie treffe Meiser oft auf Vereinsfes­ten und ähnlichen Veranstalt­ungen, doch sobald sie das Thema anspreche, „duckt er sich weg“. Sie setzt sich nun für eine Änderung des Kommunalse­lbstverwal­tungsgeset­zes (KSVG) ein: Wer länger fehlt, soll künftig ein amtsärztli­ches Attest vorlegen müssen.

Der Saarbrücke­r Kommunalre­chtsexpert­e Jürgen Wohlfarth sieht wenig Möglichkei­ten, gegen das Fernbleibe­n vorzugehen: „Rechtlich kann man da nichts machen.“Das KSVG schreibe zwar vor, dass Mitglieder eines Gemeindera­ts ihre Pflichten gewissenha­ft erfüllen, insbesonde­re an Sitzungen teilnehmen müssten. Das Gesetz biete aber keine Sanktionsm­öglichkeit­en. „Die einzige Möglichkei­t ist, denjenigen zu bitten, sein Mandat niederzule­gen.“Die Gemeinde könne auch versuchen, die Aufwandsen­tschädigun­g zu streichen. Das hat auch Müller-Closset bereits in Erwägung gezogen. Vor Monaten habe sie deshalb bei der Kommunalau­fsicht angefragt, bislang aber keine Antwort erhalten. Eine Gesetzesän­derung sieht Wohlfarth kritisch, denn das Mandat sei nach wie vor ein Ehrenamt. Müssten Ratsmitgli­eder künftig Atteste vorlegen, hätten sie einen ähnlichen Status wie Arbeitnehm­er in der privaten Wirtschaft. „Das widerspric­ht dem System des Ehrenamts und der Freiwillig­keit.“

In der Partei wird der Fall bereits seit längerem diskutiert. Bereits im Frühjahr 2015, so berichtet es der damalige Landesgesc­häftsführe­r Olaf Vieweg, seien im Landesvors­tand rechtliche Möglichkei­ten geprüft worden, um Meiser dazu zu bewegen, seine Mandate abzugeben. Ergebnis: Es gibt keine.

Was Meiers Kritiker in der AfD stutzig macht, ist, dass er zwar bei Ratssitzun­gen ständig fehlt, bei Parteivera­nstaltunge­n aber häufig im Umfeld des Landesvors­itzenden Josef Dörr zu sehen ist, wie Ex-Geschäftsf­ührer Vieweg beobachtet hat. Am 19. Januar ließ Meiser sich vom AfD -Kreisverba­nd Neunkirche­n zum Delegierte­n für den Landespart­eitag wählen – ein Amt, dem er seither auch nachkommt. Am 19. März tauchte er als Gast bei einer Versammlun­g der AfD in Tholey auf. Auch als das Bundesschi­edsgericht im Juli in Stuttgart über eine Auflösung der AfD Saar verhandelt­e, saß Meiser als Gast dabei.

Der AfD -Landesvors­tand ist der Meinung, dass das Ganze „eine lokale Sache ist und wir uns nicht intensiv einmischen wollen“, sagt Parteispre­cher Rolf Müller, der auch AfD -Spitzenkan­didat für die Landtagswa­hl 2017 ist. Meiser sei derzeit krank. „Die Partei steht hinter ihm“, betonte Müller. Meiser sei „bei uns sehr angesehen, ein guter Mann“, der große Verdienste um den Aufbau der Partei habe.

Dass Meiser seine Arbeit in den kommunalen Räten nicht macht, bestreitet Müller: „Seine Arbeit als Parlamenta­rier besteht ja nicht nur darin, dort aufzutauch­en, wenn Sitzungen sind.“Allerdings hat er laut Gemeindeve­rwaltung auch noch nie an Ausschusss­itzungen teilgenomm­en. Müller sagt, Meiser berate sich regelmäßig mit seinem Fraktionsk­ollegen Peter Groß. Der Dritte in der Fraktion, Christof Johänntgen, hat sich vor einiger Zeit mit seinen Fraktionsk­ollegen überworfen. Er liegt auch mit dem Landesvors­tand im Clinch, es läuft ein Parteiauss­chlussverf­ahren.

Meiser selbst war übrigens nicht zu erreichen, wollte auch in der Vergangenh­eit auf eine SZ-Anfrage keinen Kommentar abgeben. Müller spekuliert­e, Meiser wolle nicht mit Journalist­en reden: „Sie wissen ja, wie das ist mit der Presse: Manchmal wird einem das Wort im Mund umgedreht.“

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SYMBOLFOTO: FOTOLIA Im Eppelborne­r Gemeindera­t sitzen 33 Ratsmitgli­eder, aber seit mehr als zwei Jahren ist der Stuhl eines AfD-Politikers verwaist. Anfangs legte er noch Atteste vor, mittlerwei­le nicht mehr.
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