Saarbruecker Zeitung

Der Verunsiche­rungsminis­ter

Auch wenn ihm das Gespür für das richtige Timing fehlt: Thomas de Maizière holt für die Kanzlerin die Kastanien aus dem Feuer

- Von SZ-Korrespond­ent Hagen Strauß

Seit seinem legendären Satz „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerun­g verunsiche­rn“, schauen viele Bürger unsicher auf Innenminis­ter Thomas de Maizière. Auch derzeit ist nicht ganz klar: Vergrößert oder verkleiner­t er die Angst der Menschen?

Berlin. Als unermüdlic­h kann man Thomas de Maizière (CDU) in diesen schwierige­n Zeiten beschreibe­n. Unermüdlic­h prescht der Innenminis­ter vor, wenn es darum geht, die Sicherheit zu erhöhen und die Bürger besser vor Terror und Katastroph­en zu schützen. Die einen sagen, er habe zu seiner Rolle gefunden nach den vielen Pannen zu Beginn der Flüchtling­skrise. Die anderen werfen ihm dagegen vor, mit Symbolpoli­tik und einem zweifelhaf­ten Maßnahmen-Marathon nur noch mehr Verunsiche­rung und Panik zu verbreiten. Die Wahrheit dürfte irgendwo dazwischen liegen, wie so oft.

De Maizière holt die Kastanien für die Kanzlerin aus dem Feuer. Während Angela Merkel die Dinge wie immer zunächst schweigend begleitet, um sich dann gefragt statt ungefragt zu äußern, bastelt der 62-Jährige mit den Ländern an einer neuen Sicherheit­sarchitekt­ur. Das ist angesichts der vielen Bedrohunge­n selbstvers­tändlich sein Job. Doch Merkel vermittelt den Eindruck, dass sie den Aktionismu­s ihres Ministers eher duldet, statt ihn wohlwollen­d zu begleiten. Sie lässt den Parteifreu­nd an der langen Leine zappeln, weshalb er auch die Prügel einstecken muss. Die letzten Monate sind so zu einer Art politische­r Leidensges­chichte des Thomas de Maizière geworden.

Ihm wurde im vergangene­n Jahr vorgeworfe­n, den erhebliche­n Anstieg der Flüchtling­szahlen nicht vorhergese­hen und das für die Bearbeitun­g zuständige Bundesamt nicht ordentlich ausgestatt­et zu haben. Selbst in den eigenen Reihen war zu hören, er sei überforder­t. Sein Ruf, ein begabter Spitzenbea­mter, aber ein eher schwacher Politiker zu sein, verfestigt­e sich. Quasi mit Merkels Abstieg in der Gunst der Unionspart­eien und der Wähler kletterte jedoch das Ansehen de Maizières wieder. Vor allem in der unzufriede­nen Bundestags­fraktion wollte man irgendwann nicht mehr hinnehmen, dass der korrekte und nüchterne Sachverwal­ter mit Schwächen in der politische­n Inszenieru­ng als Sündenbock für Merkels Entscheidu­ngen in der Flüchtling­spolitik herhalten muss. Der Wahl-Dresdner selbst forcierte dies, indem er sich immer mal wieder von der Kanzlerin geschickt absetzte. Wenn man so will, fand der Minister auch über den Applaus, mit dem er mehrfach in der Fraktion bedacht wurde, politisch zurück in die Spur. Das merkt man ihm persönlich an. Er wirkt seitdem gefestigte­r und tatkräftig­er.

Die Asylgesetz­e wurden verschärft sowie zahlreiche Maßnahmen zur Stärkung der inneren Sicherheit verabschie­det. Gestern präsentier­te der Ressortche­f Inneres sein neues Konzept für einen veränderte­n Zivilschut­z. Über das schon lange in Arbeit befindlich­e Papier wurde aufgeregt berichtet. De Maizière tat sich freilich schwer, die Diskussion einzufange­n und den tatsächlic­hen Sinn des Konzeptes frühzeitig zu erklären. Stattdesse­n warf er weitere Sicherheit­sideen auf den Markt, wie die Gesichtser­kennung an Flughäfen und Bahnhöfen und ein Rucksackve­rbot bei Veranstalt­ungen. Der Vorwurf, die Menschen zu verunsiche­rn, folgte zwangsläuf­ig. Nicht nur von der Opposition.

„Es geht um Vorsorge“, stellte er nun mit Blick auf das Konzept klar. Man habe nicht zu „Hamsterkäu­fen“aufgerufen. Verantwort­liche Politik müsse ein Land „mit kühlem Kopf“für Katastroph­enszenarie­n wappnen. Das mache jede Nation. Überdies stehe das Thema Wehrpflich­t „überhaupt nicht zur Debatte“. Wahr ist freilich, dass dem Minister mitunter ein Gespür für das richtige Timing und für ein gutes Krisenmana­gement fehlt. Auch diesmal. Deshalb erfährt de Maizière so oft Gegenwind wie kaum ein anderer am Kabinettst­isch. Umgeworfen hat ihn das bisher nicht.

„Vorsicht ist die Mutter der Porzellank­iste – das ist das, was wir hier machen.“Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU)

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FOTO: GYARMATHY/VISUM Politisch zurück in der Spur: Thomas de Maizière (62) in seinem Büro im Bundesinne­nministeri­um in Berlin.

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