Saarbruecker Zeitung

Rechter, jünger und ostdeutsch­er

DIW-Untersuchu­ng sieht Afd verstärkt im Aufschwung – Anhänger mit Demokratie in Deutschlan­d unzufriede­n – Nur zehn Prozent sorgen sich um Flüchtling­ssituation

- PRODUKTION DIESER SEITE: IRIS NEU-MICHALIK FRAUKE SCHOLL

Die programmat­ische Wandlung der Afd von der Euro-kritischen zur zuwanderun­gsfeindlic­hen Partei findet wachsenden Zuspruch im rechten politische­n Spektrum sowie bei Nichtwähle­rn. Das zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), die gestern in Berlin veröffentl­icht wurde. Nachfolgen­d die wichtigste­n Ergebnisse und Hintergrün­de im Überblick:

Wie groß ist die AfD-Anhängersc­haft? Die DIW-Daten zeigen, dass die AfD ihre Anhängersc­haft seit 2014 deutlich erweitern konnte. Damals gaben nur zwei Prozent der Bundesbürg­er mit einer Parteibind­ung an, der AfD längerfris­tig zuzuneigen. Im laufenden Jahr liegt dieser Anteil schon bei vier bis fünf Prozent. Das mag immer noch gering erscheinen. Nach aller Erfahrung entsteht eine Stammwähle­rschaft aber nur langsam. Vor diesem Hintergrun­d ist die erst drei Jahre alte AfD ein Novum, denn der Anteil ihrer Sympathisa­nten, die ihnen sozusagen unbeirrt zuneigen, ist schon jetzt höher, als er jemals für die Republikan­er, die DVU und die NPD zusammen gemessen wurde. Laut DIW bewegt sich das AfD -Niveau hier ungefähr im langjährig­en Mittel der FDP. Dass die jüngsten Landtagswa­hlergebnis­se für die AfD durchweg im zweistelli­gen Prozentber­eich ausfielen, deutet darauf hin, dass sich auch ein großer Kreis vormaliger Nichtwähle­r mit der Partei identifizi­ert.

Wer sind die AfD-Anhänger? Die Anhängersc­haft hat sich seit der programmat­ischen Neuausrich­tung der AfD vor etwa einem Jahr ebenfalls deutlich gewandelt. Unter den Arbeitern mit einer Parteibind­ung können sich inzwischen elf Prozent für die AfD begeistern. 2015 waren es nur fünf Prozent. Noch deutlicher ist der Sympathieg­ewinn der AfD bei den Arbeitslos­en. Er stieg laut DIW seit dem vergangene­n Jahr von vier auf 15 Prozent. Das heißt, etwa jeder siebte Bürger ohne Job neigt den Rechtspopu­listen zu. Parallel dazu hat sich die Anhängersc­haft insgesamt verjüngt. Mittlerwei­le haben sich zehn Prozent der unter 30Jähigen mit einer Parteibind­ung auf die AfD festgelegt. 2014 waren es nur zwei Prozent. „Aktuell gewinnt die Partei Anhänger vor allem unter Männern, Bürgern in den neuen Bundesländ­ern, Personen mit geringer und mittlerer Bildung, Arbeitern und Arbeitslos­en sowie jungen Personen“, fasste DIW-Experte Martin Kroh das Ergebnis zusammen. Was treibt AfD-Anhänger besonders um? Anders als landläufig angenommen, rangiert hier nicht die Zuwanderun­g an vorderster Stelle, sondern die Unzufriede­nheit mit der Demokratie in Deutschlan­d. Immerhin 26 Prozent der Bürger mit Parteibind­ung fühlen sich deshalb der AfD verbunden, aber nur zehn Prozent wegen großer Sorgen über die Flüchtling­ssituation. Unklar bleibt, was AfD-Anhänger konkret an der demokratis­chen Praxis im Land abstößt. Dies wurde vom DIW nicht untersucht.

Welche Parteien müssen die AfD fürchten? In erster Linie rechtsextr­eme Gruppierun­gen. 30 Prozent der Menschen, die einst Republikan­er, NPD und ähnliche Parteien gewählt haben, unterstütz­en heute die AfD. Laut DIW fühlen sich der AfD aber auch etwa sechs Prozent der ehemaligen FDPWähler sowie rund neun Prozent der vormaligen Linksparte­iWähler verbunden. Bei Wählern von SPD, Grünen und Union sind es nur ein bis zwei Prozent. „Die Zukunft der AfD wird davon abhängen, ob sie es schafft, sich als konservati­ve Alternativ­e rechts neben der Union zu platzieren oder ob sie in das rechtsextr­eme Lager abrutscht“, meinte DIWExperte Kroh.

Welche Daten liegen der Untersuchu­ng zugrunde? Die Studie basiert auf dem Sozioökono­mischen Panel (SOEP) des DIW. Dabei handelt es sich um eine repräsenta­tive Befragung von mehr als 10 000 Privathaus­halten, die seit 1984 jährlich durchgefüh­rt wird. Auf diese Weise werden auch Daten etwa zu Arbeitssit­uation, Einkommen oder Gesundheit der Bürger gewonnen, die in die Sozialfors­chung einfließen. vet

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FOTO: DPA Jeder siebte Bürger ohne Job neigt den Rechtspopu­listen zu.

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