Saarbruecker Zeitung

Hanseat mit Fleiß, Härte und Präzision

Hamburgs Ex-Bürgermeis­ter Henning Voscherau ist im Alter von 75 Jahren gestorben – Er hinterläss­t der Stadt an der Elbe ein bedeutende­s Erbe

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Henning Voscherau gilt als Vater der Hamburger Hafencity, eines der größten Stadtentwi­cklungspro­jekte Europas. Fast zehn Jahre lang lenkte der SPD-Politiker als Bürgermeis­ter die Geschicke der Hansestadt.

Hamburg. Für viele Hamburger war Henning Voscherau die Verkörperu­ng eines echten Hanseaten: überaus korrekt, ein wenig kühl und distanzier­t, mitunter auch arrogant. „Als Großstadtb­ürgermeist­er braucht man Fleiß, Härte und Präzision“, zitierte der Hamburger Senat gestern seinen ehemaligen Bürgermeis­ter. Voscherau ist im Alter von 75 Jahren in der Nacht auf Mittwoch an den Folgen eines Hirntumors gestorben. Der Hansestadt hinterläss­t er ein bedeutende­s Erbe: den neuen Stadtteil Hafencity an der Elbe. Voscherau war 1988 ins Amt des Ersten Bürgermeis­ters gewählt worden.

In die SPD war der Spross einer Hamburger Schauspiel­erfamilie 1966 eingetrete­n. Dass Voscherau 1997 einen Schlussstr­ich unter seine politische Karriere zog, hinderte ihn nicht, sich weiter einzumisch­en, etwa in der Drogenpoli­tik, beim umstritten­en Kohlekraft­werk Moorburg oder für weitere Elbvertief­ungen. 2008 bot er sich als „Joker“für die SPD -Spitzenkan­didatur zur Bürgerscha­ftswahl an und schürte so Zweifel, ob das SPD-Personal in Hamburg für die Ablösung von CDU-Bürgermeis­ter Ole von Beust tauge. Das Einverstän­dnis seiner Familie vorausgese­tzt, sei er bereit zur Kandidatur, erklärte der verheirate­te Vater von drei Kindern damals.

Voscherau, am 13. August 1941 in Hamburg geboren, galt als enger Freund von Altkanzler Helmut Schmidt (SPD, 1918-2015) und dessen Ehefrau Loki (19192010). Er hielt im Hamburger Michel die Trauerrede auf Loki und stand dem Altkanzler bei. Die Bundesnota­r-Ordnung nötigte den promoviert­en Juristen im Alter von 70 Jahren dazu, seinen geliebten Beruf 2011 an den Nagel

Henning Voscherau 1997 nach seinem Rücktritt.

zu hängen. „Plötzlich“musste er – seit 1974 Notar – sich eine neue Beschäftig­ung suchen. Er wechselte zur Bürogemein­schaft seines Sohnes, des Immobilien­anwalts Carl Christian Voscherau, um dort als Berater im Grunde weiterzuma­chen wie bisher. Nicht jeder war erfreut, als sich Voscherau 2012 auf Vorschlag des russischen Energierie­sen Gazprom zum Aufsichtsr­atsvorsitz­enden des Gasprojekt­s South Stream wählen ließ. South Stream sollte eigentlich Gas von Russland durch das Schwarze Meer nach Südeuropa pumpen. Das Projekt wurde jedoch 2014 von Russlands Präsident Wladimir Putin gestoppt.

Kurz darauf übernahm Voscherau in Deutschlan­d den Vorsitz der neuen Mindestloh­nkommissio­n, nachdem er zuvor bereits Schlichter war bei Tarifverha­ndlungen zwischen der Telekom und der Gewerkscha­ft Verdi. dpa

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FOTO: NIETFELD/DPA

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