Wieder mehr Kinder in den Schulen
Bildungsminister sieht Bedarf für 2100 Kindergartenplätze mehr – In Zukunft kostenlose Kitas?
7650 Kinder haben am Montag ihren allerersten Schultag – 2,7 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. 4376 Schüler besuchen gebundene Ganztagsschulen – dreimal so viel wie zu Beginn der Amtszeit von Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD).
Saarbrücken. „Im Saarland zählt, was Kinder in den Köpfen haben und nicht, was ihre Eltern im Geldbeutel haben“– auf diese einprägsame Formel reduzierte gestern Saar-Kultusminister Ulrich Commerçon (SPD) die Ergebnisse von bundesweiten Bildungsstudien, die belegen, dass das Saarland in Sachen Bildungsgerechtigkeit gut abschneidet. Er wertet dies als Bestätigung seiner sozialdemokratischen Bildungspolitik. Doch genug ist nicht genug. Der Minister gibt sich beispielsweise nicht zufrieden mit der Verdreifachung der Schülerzahlen an gebundenen Ganztagsschulen seit Beginn der Legislaturperiode. Gestern nutzte er das Sommergespräch kurz vor Schulstart-Beginn am Montag, um zentrale Wahlkampf-Themen zu platzieren. „Mein Ziel ist echte Wahlfreiheit und ein Rechtsanspruch auf Ganztagesunterricht“, sagte er. Die vergangenen Jahre hätten bewiesen, dass der Bedarf da sei und weiter wachse. 26 Standorte mit Ganztagesangeboten für 5400 Schüler gebe es bereits. Außerdem, so Commerçon, setze er sich für „kostenlose Bildung von Anfang an“ein, sprich für eine komplette Beitragsfreistellung für Kindergarten-Plätze. Auf 50 Millionen Euro jährlich bezifferte er die Mehrkosten für das Land, käme es für drei Jahre zu einer Totalentlastung der Eltern. Diese generelle Beitragsfreiheit lasse sich nicht in einem Schritt realisieren, sondern nur mit einem Stufenplan, bei dem sich die Beiträge zunächst am Einkommen der Eltern orientierten. Acht bis neun Jahre könne es bis zur kompletten Freistellung dauern, sagte Commerçon der SZ.
Derzeit sind nur die Gebühren für das dritte Kita-Jahr einkommensabhängig. Nach 1999 schaffte eine CDU-Landesregierung die Gebühren fürs dritte Kindergartenjahr komplett ab, doch 2011 wurde dies wieder kassiert, um beim Bund-LänderFinanzausgleich nicht den Vorwurf zu provozieren, das Saarland leiste sich unverschämt viel mehr als die Geberländer. Der jetzige Bildungsminister lässt sich davon offensichtlich nicht schrecken. Commerçon hat bereits erlebt, dass (sozialdemokratische) Anliegen, die zunächst undenkbar schienen, durchlaufen, etwa die Erhöhung der Lehrerzahl – 289 zusätzliche Kräfte wurden seit 2014/2015 eingestellt. „Der im Koalitionsvertrag vereinbarte Abbau ist ausgesetzt“, so Commerçon. Nicht nur die Flüchtlingskinder hätten diese Entwicklung befördert, auch die längere Verweildauer an Schulen und höhere Geburtenraten als noch 2010 prognostiziert – etwa plus 2,5 Prozent im Jahr 2015 (2014: plus sieben Prozent). „Im Saarland kommen wieder mehr Kinder zur Welt. Das ist ein gutes Zukunftszeichen“, so der Minister. Junge Familien sähen bessere Chancen, Beruf und Familie zu vereinbaren. Commerçon führt dies auch auf seine aktive Ganztagsbetreuungs-Politik zurück. So sei auch die Anzahl der Krippenplätze seit 2012 um 60 Prozent (2379 Plätze) gesteigert worden. Im Saarland gebe es aktuell eine Versorgungsquote von 31 Prozent: „Wir möchten in den nächsten Jahren auf 40 Prozent kommen.“Wobei Commerçon die unterschiedliche Nachfragesituation in Ballungsgebieten und auf dem Land berücksichtigen will: „Eltern bevorzugen arbeitsplatznahe Krippenplätze“, sagte er. Deshalb müsse es mehr Plätze in Städten geben.
Weniger entspannt sieht der Minister das Kindergartenangebot. Hier gebe es „Handlungsbedarf“. 27 382 Kinder über drei Jahren hätten einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz. Zur Verfügung stünden 27 547 Plätze – an sich genug, doch der „Deckungsgrad“sei nicht nur angesichts der Zuwanderung zu gering. „Es werden 2100 zusätzliche Plätze benötigt“, so der Minister. Er kündigte Gespräche mit dem CDU-Koalitionspartner über „Anpassungen im Landesinvestitionsprogramm“an. Hauptunterstützung braucht laut Commerçon der Regionalverband, der weniger Plätze aufweise, als Kinder da seien.
Die Grünen reagierten gestern mit Kritik auf die Ankündigungen. Sie seien „nur leere Wahlkampfversprechen“, sollte Commerçon nicht in dieser Legislaturperiode noch Realisierungsschritte einleiten, hieß es. MEINUNG