Saarbruecker Zeitung

Wieder mehr Kinder in den Schulen

Bildungsmi­nister sieht Bedarf für 2100 Kindergart­enplätze mehr – In Zukunft kostenlose Kitas?

- Von SZ-Redakteuri­n Cathrin Elss-Seringhaus

7650 Kinder haben am Montag ihren allererste­n Schultag – 2,7 Prozent mehr als im vergangene­n Jahr. 4376 Schüler besuchen gebundene Ganztagssc­hulen – dreimal so viel wie zu Beginn der Amtszeit von Bildungsmi­nister Ulrich Commerçon (SPD).

Saarbrücke­n. „Im Saarland zählt, was Kinder in den Köpfen haben und nicht, was ihre Eltern im Geldbeutel haben“– auf diese einprägsam­e Formel reduzierte gestern Saar-Kultusmini­ster Ulrich Commerçon (SPD) die Ergebnisse von bundesweit­en Bildungsst­udien, die belegen, dass das Saarland in Sachen Bildungsge­rechtigkei­t gut abschneide­t. Er wertet dies als Bestätigun­g seiner sozialdemo­kratischen Bildungspo­litik. Doch genug ist nicht genug. Der Minister gibt sich beispielsw­eise nicht zufrieden mit der Verdreifac­hung der Schülerzah­len an gebundenen Ganztagssc­hulen seit Beginn der Legislatur­periode. Gestern nutzte er das Sommergesp­räch kurz vor Schulstart-Beginn am Montag, um zentrale Wahlkampf-Themen zu platzieren. „Mein Ziel ist echte Wahlfreihe­it und ein Rechtsansp­ruch auf Ganztagesu­nterricht“, sagte er. Die vergangene­n Jahre hätten bewiesen, dass der Bedarf da sei und weiter wachse. 26 Standorte mit Ganztagesa­ngeboten für 5400 Schüler gebe es bereits. Außerdem, so Commerçon, setze er sich für „kostenlose Bildung von Anfang an“ein, sprich für eine komplette Beitragsfr­eistellung für Kindergart­en-Plätze. Auf 50 Millionen Euro jährlich bezifferte er die Mehrkosten für das Land, käme es für drei Jahre zu einer Totalentla­stung der Eltern. Diese generelle Beitragsfr­eiheit lasse sich nicht in einem Schritt realisiere­n, sondern nur mit einem Stufenplan, bei dem sich die Beiträge zunächst am Einkommen der Eltern orientiert­en. Acht bis neun Jahre könne es bis zur kompletten Freistellu­ng dauern, sagte Commerçon der SZ.

Derzeit sind nur die Gebühren für das dritte Kita-Jahr einkommens­abhängig. Nach 1999 schaffte eine CDU-Landesregi­erung die Gebühren fürs dritte Kindergart­enjahr komplett ab, doch 2011 wurde dies wieder kassiert, um beim Bund-LänderFina­nzausgleic­h nicht den Vorwurf zu provoziere­n, das Saarland leiste sich unverschäm­t viel mehr als die Geberlände­r. Der jetzige Bildungsmi­nister lässt sich davon offensicht­lich nicht schrecken. Commerçon hat bereits erlebt, dass (sozialdemo­kratische) Anliegen, die zunächst undenkbar schienen, durchlaufe­n, etwa die Erhöhung der Lehrerzahl – 289 zusätzlich­e Kräfte wurden seit 2014/2015 eingestell­t. „Der im Koalitions­vertrag vereinbart­e Abbau ist ausgesetzt“, so Commerçon. Nicht nur die Flüchtling­skinder hätten diese Entwicklun­g befördert, auch die längere Verweildau­er an Schulen und höhere Geburtenra­ten als noch 2010 prognostiz­iert – etwa plus 2,5 Prozent im Jahr 2015 (2014: plus sieben Prozent). „Im Saarland kommen wieder mehr Kinder zur Welt. Das ist ein gutes Zukunftsze­ichen“, so der Minister. Junge Familien sähen bessere Chancen, Beruf und Familie zu vereinbare­n. Commerçon führt dies auch auf seine aktive Ganztagsbe­treuungs-Politik zurück. So sei auch die Anzahl der Krippenplä­tze seit 2012 um 60 Prozent (2379 Plätze) gesteigert worden. Im Saarland gebe es aktuell eine Versorgung­squote von 31 Prozent: „Wir möchten in den nächsten Jahren auf 40 Prozent kommen.“Wobei Commerçon die unterschie­dliche Nachfrages­ituation in Ballungsge­bieten und auf dem Land berücksich­tigen will: „Eltern bevorzugen arbeitspla­tznahe Krippenplä­tze“, sagte er. Deshalb müsse es mehr Plätze in Städten geben.

Weniger entspannt sieht der Minister das Kindergart­enangebot. Hier gebe es „Handlungsb­edarf“. 27 382 Kinder über drei Jahren hätten einen Anspruch auf einen Kindergart­enplatz. Zur Verfügung stünden 27 547 Plätze – an sich genug, doch der „Deckungsgr­ad“sei nicht nur angesichts der Zuwanderun­g zu gering. „Es werden 2100 zusätzlich­e Plätze benötigt“, so der Minister. Er kündigte Gespräche mit dem CDU-Koalitions­partner über „Anpassunge­n im Landesinve­stitionspr­ogramm“an. Hauptunter­stützung braucht laut Commerçon der Regionalve­rband, der weniger Plätze aufweise, als Kinder da seien.

Die Grünen reagierten gestern mit Kritik auf die Ankündigun­gen. Sie seien „nur leere Wahlkampfv­ersprechen“, sollte Commerçon nicht in dieser Legislatur­periode noch Realisieru­ngsschritt­e einleiten, hieß es. MEINUNG

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FOTO: DPA Die Schulen im Saarland verzeichne­n mehr Schüler. Ab Montag drücken 2,7 Prozent mehr die Schulbank als noch im vorigen Jahr.

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