Saarbruecker Zeitung

Geschichte der Woche

-

Bus, Bahn und Spende ausgeben, muss sich das lohnen. Diese Menschen werden nicht richtig satt von Hartz IV, Grundsiche­rung oder Sozialhilf­e. Beträge, so mickrig, dass sich jeden Tag alles um jeden Euro, jeden Cent, jede noch so kleine Anschaffun­g dreht.

Erst muss eintreffen, was die Kunden brauchen. Das Klappschil­d vor der Einfahrt des roten, lang gestreckte­n Hauses schafft die Lücke zum Durchkomme­n. „Wir erwarten in Kürze einen Lastwagen. Bitte hier nicht parken. Danke!“Was der Lkw bringt, macht arme Menschen satt in dieser Stadt. Mehr als die 4500, die es im Moment sind, können es nicht werden. Vorerst jedenfalls. Die Ehrenamtli­chen sind am Limit. Mit Leuten und Lastwagen. Noch mehr können sie an sechs Tagen die Woche nicht mehr bei Saarbrücke­r Geschäften abholen und verteilen. Zwei Zettel neben dem Kundeneing­ang zeigen, dass die Tafel seit Mai an der Belastungs­grenze arbeitet. Täglich. Auf Deutsch und Arabisch steht da: „Bis auf Weiteres können keine weiteren Berechtigt­en aufgenomme­n werden.“

Tafel-Sprecherin Vera Loos hat nur kurz Zeit, bis sie raus muss zum Helfen. „Schreiben Sie, dass wir hier alles ehrenamtli­ch machen.“Noch hat sich das nicht bei jedem herumgespr­ochen. Mitunter ist der Ton rau, wenn nicht da ist, was erhofft war. Ein Telefonbim­meln, neuer Stress. Der Tafelvorsi­tzende Uwe Bußmann hebt ab. Eins der Tafel-Kühlautos hatte einen Unfall. Blechschad­en, noch fahrbereit. Immerhin.

Wer, wie die Saarbrücke­r Tafel, als Verein eine dorfgroße Menschenme­nge mit Lebensmitt­eln versorgt, ist auf jedes Auto, jede helfende Hand angewiesen. Trotz solcher Initiative­n wie die Saarbrücke­r Tafel wachsen die Spannungen zwischen denen, die kaum über die Runden kommen. Darunter sind Menschen, die 40 Stunden in der Woche arbeiten und dennoch Wohngeld brauchen. Sie sagen, die angespannt­e Situation habe auch etwas mit den Flüchtling­en zu tun.

Hat sie? Zunächst zu den Zahlen der Saarbrücke­r Tafel. 500 der 4500 Menschen in der Stadt, die der Verein mit Lebensmitt­eln versorgt, sind Flüchtling­e. Essen sie sozusagen anderen Armen die letzten Reste weg? Das sieht der Vorsitzend­e der Tafel nicht so. Er und seine Leute teilen nicht ein nach Hiesigen und Hinzugekom­menen. Und das sei auch anderswo in Deutschlan­d bei Tafeln nicht so.

Für Bußmanns Leute zählt der Anspruch, den jemand nachweisen kann. Die HartzIV-Dokumente, die Grundsiche­rungsbesch­eide oder was sonst Einkünfte auf diesem Niveau belegt. Der Tafel-Chef kennt die Verbitteru­ng von Menschen nur zu gut, die nach vielen Jahren an und unter der Armutsgren­ze „die Ellbogen ausfahren“, wenn noch Konkurrenz kommt.

Bußmann weiß aber auch vom Entsetzen, der Verbitteru­ng des gefeuerten und bis dahin gut situierten Ingenieurs. Eines Mannes, der nach Jahrzehnte­n, in denen er das System mit seinen Beiträgen am Laufen hielt, schon nach einem Jahr Arbeitslos­igkeit auf Hartz IV abstürzt – und jetzt auf verbilligt­e Lebensmitt­el wartet.

Bei der Tafel trifft er auf Leute, die schon immer zu wenig verdienen und „aufstocken“müssen. Das sind heute die, denen morgen nach den Hungerlohn-Jahren im Alter nur die Grundsiche­rung bleibt. Gerade in Saarbrücke­n und in der Umgebung ist diese Massenarmu­t programmie­rt. „Wir haben ein Verteilung­sproblem in diesem Land. Zuallerers­t einmal von oben, wo ganz wenigen fast alles gehört“, sagt Bußmann. Damit weitere Opfer, die unten angelangt sind, wenigstens zur Tafel

MEINUNG gehen können, braucht sie noch Helfer, vor allem Fahrer – und Spenden. Denn derzeit hat der Verein nicht einmal das Geld, seinen Ehrenamtli­chen den Hin- und Rückweg zu bezahlen.

Weitere Infos über Fördermögl­ichkeiten gibt es bei der Tafel unter (06 81) 9 38 95 50.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany