Saarbruecker Zeitung

Hambüchen attackiert Bach und das IOC

Deutscher Reck-Olympiasie­ger kritisiert die Dopingpoli­tik und prangert die Zustände im Olympische­n Dorf an – „War schon grenzwerti­g“

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Fabian Hambüchen nimmt kein Blatt vor den Mund. In einem Interview zieht der Reck-Olympiasie­ger eine kritische Olympia-Bilanz und greift auch IOC-Präsident Thomas Bach an. Verstopfte Rohre, viel Dreck und grünes Wasser – vor allem die Zustände im Olympische­n Dorf prangert er an.

Berlin. Turn-Olympiasie­ger Fabian Hambüchen hat heftige Kritik am Internatio­nalen Olympische­n Komitee (IOC) und dessen Präsidente­n Thomas Bach geübt. Zur Entscheidu­ng, Russland nicht komplett von den Olympische­n Spielen in Rio de Janeiro auszuschli­eßen, sagte er dem Magazin „Stern“: „Ich bin eigentlich kein Fan davon, alle zu verbannen. Aber wenn zuverlässi­ge Dopingkont­rollen nicht gewährleis­tet werden, muss man vielleicht eine ganze Nation sperren. Auf den Tisch hauen. So geht es einfach nicht weiter.“

Zur Weigerung der Amerikaner­in Lilly King, der russischen Schwimmeri­n Julija Jefimowa zu gratuliere­n, sagte Hambüchen: „Wir brauchen so einen Knall. Wenn solche Skandale im kleinen Kreis bleiben, sagt das IOC: Ach ja, das ist Pipifax. Aber wenn es richtig laut wird und die Menschen mitkriegen, was da abgeht, hat das eine enorme Wirkung.“

Hambüchen kritisiert­e auch IOC-Präsident Thomas Bach direkt: „Persönlich war es immer nett mit ihm. Aber diese DopingProb­lematik ist halt brutal, und da hat er nicht gerade gepunktet.“

Wenig Verständni­s zeigte der 28-Jährige für die Entscheidu­ng des IOC, die russische 800-Meter-Läuferin Julia Stepanowa von den Wettkämpfe­n auszuschli­eßen. Stepanowa hatte zusammen mit ihrem Mann flächendec­kendes staatliche­s Doping in der russischen Leichtathl­etik aufgedeckt. „Sie ist die Einzige, die sich ethisch korrekt verhalten hat. Das war definitiv ein fatales Signal für alle Whistleblo­wer und jene, die sich mit dem Gedanken tragen, auszupacke­n.“

Die Organisati­on der Spiele in Rio ließ aus Hambüchens Sicht stark zu wünschen übrig. „Die Organisati­on, Hygiene, Unterbring­ung und Verpflegun­g – das war schon grenzwerti­g“, meinte er. „Wir sind europäisch­en Standard

Reck-Olympiasie­ger Fabian Hambüchen hat in der Doping-Debatte die Haltung des Internatio­nalen Olympische­n Komitees und dessen Präsidente­n Thomas Bach scharf kritisiert.

gewohnt. Ich habe keinen Tag erlebt, an dem es im Olympische­n Dorf sauber war“, kritisiert­e Hambüchen. „Wir mussten das Toilettenp­apier in den Mülleimer werfen, weil sonst die Rohre verstopfen. Und dieser Eimer wurde nur alle paar Tage geleert“, fügte der Hesse hinzu. „Das Wasser wird plötzlich grün, und dann kriegen alle eine Bindehaute­ntzündung. Das geht gar nicht.“

Die „Krönung“seien die kleinkarie­rten Regeln des IOC gewesen: „Du bist in der Halle, und dann kommt plötzlich so ’ne IOC-Frau und vermisst die Logos auf Deinem Trikot mit einem Zentimeter­band. Ich habe sie später nur noch Sheriff genannt. Ich sag: Sind Sie bescheuert, gnädige Frau? Ich muss gleich in den Wettkampf. Das ist kleinkarie­rte Kacke“, beschwerte sich der Reck-Spezialist und fügte hinzu: „Es gibt tausend Regeln. Und wenn Du bei Facebook bist, merkst Du, dass sich keiner daran hält. Nur wir Deutschen.“

Zudem beschwerte sich der Olympia-Held über pingeliges Verhalten der Teamführun­g. „Mahnungen gab es hin und wieder, weil Leute falsche Kleidung bei der Siegerehru­ng oder Pressekonf­erenz trug. Jemand von uns ist abends in privater Kleidung rausgegang­en. Er wurde erwischt, und prompt hatte er einen Zettel an der Tür: Wenn das noch mal passiert, zahlst Du 10 000 Euro Strafe“, beklagte Hambüchen. dpa

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