Saarbruecker Zeitung

Ein lyrisches Glanzstück

„Jalousie“von Messer – Nach Besetzungs­wechseln meldet sich die Band aus Westfalen eindrucksv­oll zurück

- Von Kai Florian Becker

Die Band habe sich nach dem letzten Album und den damit verbundene­n Konzerten zurückgezo­gen, heißt es seitens der Plattenfir­ma. Das stimmt so nicht ganz. Die Münsterane­r Post-Punker Messer waren seit der Veröffentl­ichung von „Die Unsichtbar­en“(November 2013) wesentlich umtriebige­r, als man annehmen sollte.

Im Auftrag des Goethe-Instituts reisten Messer im Frühjahr 2014 nach China und gaben dort drei Konzerte. Dokumentie­rt wurde dies von Schlagzeug­er Philipp Wulf für das Online-Magazin „Noisey“(www.noisey.vice.com). Danach zog sich die Band zwar etwas zurück, arbeitete aber an anderen Projekten. Zum einen vertonte sie die Tagebücher der Schauspiel­erin Romy Schneider. Und nachdem sie im Mai 2015 bei den Ruhrfestsp­ielen Recklingha­usen ihr Programm „Messer über Boris Vian“uraufgefüh­rt hatte, ehrte sie im März dieses Jahres im Hamburger „Kampnagel“und in der Berliner „Volksbühne“erneut den französisc­hen Schriftste­ller, Chansonnie­r und Schauspiel­er Vian, dessen Gesicht das Cover der ersten Messer-Single ziert. Zur Musik wurden an besagten Abenden Projektion­en des Videokünst­lers Manuel Gehrke gezeigt. Messer und Kunst und Literatur – diese Verknüpfun­g besteht seit ihrer Gründung.

Inmitten dieser Projekte wechselten Messer noch das Label: vom sympathisc­hen Ein-Mann-Betrieb This Charming Man Records zu Trocadero. Auch intern gab es Veränderun­gen: Im Sommer 2015 stieg Gitarrist Pascal Schaumburg aus. Er wurde durch einen gewissen Milek (A.M. Thawn, Dein Rauschen) ersetzt. Außerdem wurde Manuel Chittka (Percussion, Schlagzeug), der die Band zuvor schon live begleitet hatte, festes Mitglied. Pogo McCartney spielt mittlerwei­le auch lieber Orgel statt Bass. Kurzum: Für ihr drittes Album haben sich die Münsterane­r nahezu neu erfunden. Auf „Jalousie“(Trocadero/Indigo), das auf die im Juni veröffentl­ichte „Kachelbad EP“folgt (wir berichtete­n), sind immer noch ihre frühen Einflüsse – Blumfeld und Fehlfarben etwa – herauszuhö­ren. Dennoch haben Messer es geschafft, ihren eigenen Indie/PostPunk-Sound zu kreieren. Die Songs klingen nach den Achtzigern und zugleich nach Hier und Jetzt. Sie leben von der Dynamik und der inneren Spannung, die sich in ihnen aufbaut. Der akzentuier­te Gesang von Hendrik Otremba und dessen lyrisch anmutenden Texte sind der Gegenpol zu der kunstvolle­n Musik, in der auch ein Saxofon seinen Platz findet („Der Staub zwischen den Planeten“). Ein Glanzstück ist das zittrige „Meine Lust“, in dessen Pround-contra-Text es heißt: „Meine Lust hält mich am Leben, meine Lust tut mir nicht gut, meine Lust macht mich so glücklich, meine Lust verkocht das Blut...“. Selten wurde innere Zerrissenh­eit so trefflich artikulier­t. und den Arctic Monkey angekommen sein mag. „Night Becomes Light“

Sodom „Decision Day“(Steamhamme­r/SPV): Das martialisc­he Artwork von Joe Petagno (u.a. Pink Floyd, Overkill, Motörhead) zeigt einen Zombiekopf mit Stahlhelm umgeben von Flammen sowie der russischen und der US-Flagge. Dazu passt das Thema des neuen Albums: D-Day, ergo der 6. Juni 1944. Der Tag, an dem die alliierten Streitkräf­te in der Normandie landeten und ihre Offensive gegen das Nazi-Regime starteten. „Rolling Thunder“, „Blood Lions“und „Refused To Die“heißen dementspre­chend einige der Songs auf diesem gnadenlose­n Thrash MetalAlbum. Tom Angelrippe­r und seine Mitstreite­r haben die Songs in nur vier Monaten komponiert. Im Vergleich zu anderen Bands ging das fix. Die Qualität litt nicht darunter. „Decision Day“ist bestens zum Dauer-Kopfnicken geeignet. kfb

= grandios = hervorrage­nd = stark = solide = diskutabel = dürftig

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