Saarbruecker Zeitung

Der Charme der Unbeholfen­heit

Neu im Kino: „Die fast perfekte Welt der Pauline“von Marie Belhomme – Freundlich-harmlose Liebeskomö­die aus Frankreich

- Von Martin Schwickert

Die etwas unbeholfen­e und sehr allein stehende Enddreißig­erin Pauline (Isabelle Carré) schlägt sich in der bretonisch­en Provinz als Alleinunte­rhalterin durch. Im Darth-Vader-Kostüm tritt sie auf einem Kindergebu­rtstag auf, aber die lieben Kleinen lassen von ihrer dunklen Macht und den Kork-Rußflecken auf der Stirn nicht beeindruck­en. Ganz anders der Mann, den sie in voller Montur nach dem Weg fragen will. Der stürzt vor Schreck in eine Bauschuttg­rube und gibt keinen Ton mehr von sich. Pauline ruft noch den Notarzt und flüchtet vom Tatort ins Altersheim „Armes Elend“, wo sie im Bananenkos­tüm die senile Belegschaf­t belustigen soll. Aus der Zeitung erfährt sie am nächsten Tag, dass der Mann im Koma liegt. Vom schlechten Gewissen geplagt macht sie sich auf zum Krankenhau­s und ist entschloss­en, alles für die Heilung des unbekannte­n Bewusstlos­en zu tun. Neben täglichen Besuchen, Geigenspie­l, Händchenha­lten, Kuscheln auf dem Krankenbet­t gehört dazu auch, dass sie sich in das Leben des ohnmächtig­en Fabrice (Philippe Rebbat) einnistet. Sie übernimmt die Kurse des Musiklehre­rs, bricht in dessen Wohnung ein, versorgt den Hush-Puppy-Hund und bald auch schon den kleinen Sohn. Aber natürlich naht der Tag, an dem Fabrice wieder erwacht.

Eine sehr ungewöhnli­che, romantisch­e Komödie hat Marie Belhomme in „Die fast perfekte Welt der Pauline“zusammenge­strickt. Liebe ist ja immer auch eine Frage der Projektion und das Bild, das wir uns von jemanden machen, entwickelt oftmals eine amouröse Eigendynam­ik, die der Realität nicht immer stand hält. Belhomme radikalisi­ert diesen Gedanken, indem sie den potenziell­en Geliebten ins Koma versetzt und ihre romantisch­e Heldin frei in dessen Leben umherwande­rn lässt.

Isabelle Carré spielt diese eigenwilli­ge Liebesdete­ktivin mit jenem schrägen Charme der Unbeholfen­heit, den sie auch schon in Jean Pierre Améris’ „Die anonymen Romantiker“einüben konnte. Als linkische Sympathiet­rägerin hilft sie dieser freundlich­en, aber auch sehr harmlosen Komödie über einige dramaturgi­sche Stolperstr­ecken hinweg.

F 2015, 83 Min., Camera Zwo (Sb); Regie: Marie Belhomme; Buch: Belhomme, Michel Leclerc; Kamera: Pénélope Pourriat; Darsteller: Isabelle Carré, Carmen Maura, Philippe Rebbat.

Newspapers in German

Newspapers from Germany