Saarbruecker Zeitung

Im Informatio­nskrieg

Hacker-Angriffe auf deutsche Parteien sollten alarmieren

-

Was könnte Wladimir Putins Geheimdien­st von einem saarländis­chen CDU-Landtagsab­geordneten wollen: Umsturz-Pläne für Moskau, Nato-Angriffsko­ordinaten? Fast kann man sich als Regional-Politiker geschmeich­elt fühlen, ins Fadenkreuz mutmaßlich russischer Hacker geraten zu sein.

Was die Saarbrücke­r Zeitung vor zwei Wochen aufdeckte und jetzt von NDR, WDR und „Süddeutsch­er Zeitung“weiterverf­olgt wurde, ist ein breit angelegter Angriff in der zweiten Reihe der deutsche Politik. Geheimdien­ste wollen prinzipiel­l alles wissen. In diesem Fall ist aber die Vermutung von Sicherheit­sexperten plausibel, hier sollte nach Skandalen geforscht werden, um die öffentlich­e Meinung vor Wahlen beeinfluss­en zu können. Vorbild wären jene gegen Bernie Sanders gerichtete­n EMails aus der Zentrale der USDemokrat­en, deren Veröffentl­ichung durch „Wikileaks“den Auftakt von Hillary Clintons Krönungspa­rteitag vermasselt­e.

Für die Medien ist das ein heikles Terrain. Sie sind auch auf durchgesto­chene Informatio­nen angewiesen, um Skandale aufzudecke­n. Dabei müssen sie zweifelhaf­te Motive ihrer Quellen in Kauf nehmen: Eitelkeit, Rache, Machtspiel­chen, wie sie wohl auch Mark Felt, der Informant „Deep Throat“im WatergateS­kandal um Richard Nixon, betrieb. Nicht alle „Whistleblo­wer“sind Weltverbes­serer wie – hoffentlic­h – Edward Snowden. Die

GLOSSE Gefahr des Missbrauch­s sollte den Medien aber bewusst sein. Denn der hat bei Geheimdien­sten Tradition. In den 70er Jahren veröffentl­iche der „Stern“Telefonges­präche zwischen CDU-Chef Helmut Kohl und seinem Generalsek­retär Kurt Biedenkopf – nach der Wende bestätigte sich, dass die DDR-Stasi die Abhörproto­kolle lanciert hatte, um Kohl zu schaden. Die Bereitscha­ft des „Stern“, sie zu publiziere­n, wurde kritisiert. Heute wäre sie nicht mehr nötig. Geheimdien­ste haben das Netz, etwa „Wikileaks“.

Natürlich bedienen sich westliche Dienste ähnlicher Kanäle. Die Demokratie aber ist besonders anfällig für Beeinfluss­ung. Wem wird es helfen, wenn „Wikileaks“vor der US-Wahl von russischen Hackern gewonnene Infos veröffentl­icht, die Clinton schaden? Donald Trump – aber damit auch Putin, der sich einen USPräsiden­ten wünschen dürfte, der die Entfremdun­g zwischen USA und Europa forciert.

Relevante Informatio­nen über Clinton darf man trotzdem nicht ignorieren. Genauso wie Belege für Fehlverhal­ten deutscher Politiker, falls die Hacker sie jetzt bei deutschen Politikern gefischt haben – auch wenn sie wohl nur zu Lasten der etablierte­n Parteien eingesetzt werden, um Radikale zu stärken. Doch die kritische Öffentlich­keit in westlichen Demokratie­n sollte sich stets bewusst sein, dass selektiv eingesetzt­e Informatio­nen Waffen in einer hybriden Kriegsführ­ung eben gegen diese Demokratie sind.

 ??  ?? Von Ulrich Brenner
Von Ulrich Brenner

Newspapers in German

Newspapers from Germany