Die SZ-Analyse
AfD nicht rechts von der Union formiert. Sie füllt nun jene Leerstellen, die CDU und CSU wegen ihrer „Sozialdemokratisierung“politisch hinterlassen haben. Überhaupt sind die großen Parteien deutlich kleiner geworden. Auch die SPD. Mit knapp über 20 Prozent „stärkste“Kraft zu werden wie jetzt in Berlin und sich dafür zu feiern, das ist schon unfreiwillig komisch.
Womöglich wird sich das Land an solche Zustände gewöhnen müssen. Schon allein deshalb, weil die traditionellen WählerMilieus in Auflösung sind. Es gibt nicht mehr den klassischen Arbeiter, der SPD wählt, genauso wenig wie den klassischen Konservativen. Und ein Selbstständiger muss längst nicht mehr nur auf die FDP abonniert sein, er kann auch Grüne wählen. Auch, dass Angela Merkel die Union noch einmal zur alten Herrlichkeit einer 40-Prozent-Partei zurückführen könnte, ist eher unwahrscheinlich. Nach mehr als zehn Jahren hat sich ihre Faszination weitgehend verbraucht. Dabei lehren gerade die Landtagswahlen in diesem Jahr, dass es immer stärker auf populäre Persönlichkeiten ankommt. Ohne Winfried Kretschmann hätten die Grünen in Stuttgart wohl kaum die Union überflügelt. Und ohne Malu Dreyer hätten sich die Sozialdemokraten in Mainz nicht vor der Union behaupten können. Aber solche starken Persönlichkeiten sind eben rar gesät.
So spricht einiges dafür, dass die deutsche Politik auf absehbare Zeit nur noch von kleinen und mittelgroßen Parteien bestimmt wird und Dreierkoalitionen zum Normalfall werden. Daraus kann viel Kuddelmuddel entstehen. Siehe Italien. Daraus kann aber auch ein neuer politischer Stil erwachsen. Mehr Parteien in einer Regierung bedeuten auch, dass mehr Wähler ihre Interessen an den Schalthebeln der Macht vertreten sehen. Auch das wäre ein Gewinn für die Demokratie.