Saarbruecker Zeitung

Weshalb Mangel besser als Überfluss ist

Sabine Grafs erhellende Studie über die Galerien-Entwicklun­g im Saarland seit 1945

- Von SZ-Redakteuri­n Esther Brenner

„Ausstellen heißt verkaufen“: ein Slogan, über den viele die Nase rümpfen. Kunst mit Geld in Verbindung zu bringen, gehörte sich lange nicht. Obwohl es genau darum geht, so Sabine Grafs These. In ihrer Studie über Kunstgaler­ien im Saarland untersucht sie Strukturen der hiesigen Kunstszene und plädiert für effektiver­e Förderung.

Saarbrücke­n. Die Geschichte der saarländis­chen Kunst- und Galeristen­szene ist bis in die Gegenwart geprägt von Mangel. So lautet Sabine Grafs Grundthese. In der Nachkriegs­zeit herrschte schlicht Raummangel, um Kunst zu zeigen. Ab den späten 60er Jahren beschreibt Graf einen „Informatio­nsmangel“in Bezug auf die fehlende Repräsenta­tion neuer, zeitgenöss­ischer Kunstström­ungen im Saarland, dem mutige und engagierte Kunstliebh­aber meist als „Nebenberuf­sgaleriste­n“begegneten. In dem sie Galerien eröffneten, die aber mangels Kundschaft bald wieder in der Versenkung verschwand­en (z. B. die St. Ingberter Galerie Mathea, die Galerie Weinand-Bessoth oder diverse Künstlerga­lerien).

Ab 1989 sieht die erfahrene Kunstkriti­kerin und Kennerin der Szene einen eklatanten „Ideenmange­l“, wenn es um Förderung der Bildenden Kunst und Existenzsi­cherung der Künstler geht. Graf hat viel Archivarbe­it geleistet, alte Kunstkriti­ken studiert, mit Galeristen gesprochen. Gelungen ist ihr ein umfassende­r Überblick über die hiesige Kunstszene. Zudem spart die meinungsst­arke Autorin nicht mit Kritik, zeigt aber auch Lösungen auf.

Seit Jahrzehnte­n würden Künstler als vom Staat durch Ankäufe und Stipendien zu fördernde Sozialfäll­e gesehen, moniert Graf. Statt die Strukturen im Land für die profession­elle Vermarktun­g von Kunst zu verbessern, fördere man lieber Einzelproj­ekte. Dabei stelle sich die Frage, wem die bestehende­n Maßnahmen zur Kunst- und Künstlerfö­rderung nützen. Dass es keinen funktionie­renden Kunstmarkt im Saarland gebe, der Galeristen wie Künstlern ein Auskommen verschaffe­n könnte, liege nicht nur an der mangelnden Tradition des Kunsterwer­bs und der im Vergleich geringen Kaufkraft im Saarland. Graf stellt die provokante These auf, dass gerade die Vielzahl an öffentlich­en Ausstellun­gsmöglichk­eiten privaten Galerien das Überleben erschwere. „Daher sollte auch darüber diskutiert werden, ob das Land die öffentlich­en Museen und Galerien in Neunkirche­n, Saarlouis oder Merzig überhaupt braucht, was Programm und Zuspruch des Publikums betrifft, oder ob das dafür aufgewende­te Geld effektiver für Kunst und Künstler im Land eingesetzt werden kann.“

Dass es freilich die Künstler selbst sind, die immer neue Ausstellun­gsorte fordern, kritisiert Graf. Sie hält dies für geschäftss­chädigend, plädiert eher für Mangel statt Überfluss, um Angebot und Nachfrage auf dem Kunstmarkt ins Gleichgewi­cht zu bringen. Weil gute Kunst bezahlt sein will, fordert Graf in diesem Kontext prinzipiel­l ein Honorar für ausstellen­de Künstler, die allzu oft weder etwas verkaufen noch für ihre Arbeit entlohnt werden.

„Ausstellen und Verkaufen gehören zusammen. Dafür müssen Bedingunge­n geschaffen werden“, resümiert Sabine Graf. Künstler seien keine „freundlich­en Spinner“, Galeristen nicht nur „Kunstliebh­aber“, sondern auch Geschäftsl­eute. Wer über Kunst rede, rede über Geld.

Graf nennt in ihrem Buch nur fünf Galerien, die sich bis heute auf dem saarländis­chen Kunstmarkt behaupten: Elitzer und Neuheisel ( beide Saarbrücke­n), Beck (Homburg), Palz (Saarlouis) und als Newcomer Zimmerling & Jungfleisc­h (Saarbrücke­n). Wer ihr Buch liest, wird erstaunt sein, wie viele Galerien mit spannenden Programmen und Künstlern seit 1945 eröffneten, um schon nach wenigen Jahren wieder zu schließen. Von einem Mangel an Kunstbegei­sterung im Saarland kann also nicht die Rede sein.

Sabine Graf: Mangelersc­heinungen. Private Kunstgaler­ien im Saarland seit 1945. Conte, 333 Seiten, 19,90

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FOTO: GALERIA K & K Journalist Paul Bertemes, Künstlerin Monika von Boch und Galeristin Gisela Koch 1986.
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FOTO: GALERIE BECK Vernissage von Jacques Decaux in der damals neuen Homburger Galerie Beck 1971.

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