Saarbruecker Zeitung

Saarland will Finanzieru­ng der NPD verhindern

Jochen Flackus war einst Lafontaine­s engster Mitarbeite­r – Nun wird er als linkes Regierungs­mitglied gehandelt

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N (epd) Das Saarland will wie Rheinland-Pfalz in der Bundesrats­sitzung am 10. Februar einen Antrag zur Änderung der Verfassung und des Parteienge­setzes einbringen, um die staatliche Finanzieru­ng von verfassung­sfeindlich­en Parteien wie der NPD zu verhindern. „Es kann nicht sein, dass der Staat Parteien finanziere­n muss, die ihn bekämpfen“, sagte gestern Saar-Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU).

SAARBRÜCKE­N An einem Herbsttag des vorigen Jahres meldete sich Oskar Lafontaine bei seinem alten Freund Jochen Flackus in Riegelsber­g. Beide kennen sich, seitdem Flackus 1988 als Mitarbeite­r in der Saarbrücke­r Staatskanz­lei anfing. Pass mal auf, sagte Lafontaine am Telefon, der Wirtschaft­sexperte Heinz Bierbaum werde 2017 nicht mehr für den Landtag kandidiere­n; ob er nicht an dessen Stelle antreten wolle?

Wenige Monate später steht der 61-Jährige, der zu SPD-Regierungs­zeiten Lafontaine­s persönlich­er Referent, Büroleiter und Regierungs­sprecher war und bis 1999 die Planungsab­teilung der Staatskanz­lei leitete, auf Platz zwei der Linken-Landeslist­e. „Wir wollen mitregiere­n“, sagt Flackus.

Er ist jetzt Politiker, anders als bei den Wahlen 2009 und 2012, als Flackus von Lafontaine für den Fall einer linken Koalition zwar schon einmal als Staatssekr­etär im Wirtschaft­sministeri­um vorgesehen war (unter Heinz Bierbaum als Ressortche­f), sich aus dem Wahlkampf aber heraushiel­t.

Selbst in Flackus’ neuer Rolle hört man in anderen Parteien kaum etwas Schlechtes über ihn. Das hängt damit zusammen, was Flackus macht, seitdem er nicht mehr für Lafontaine arbeitet. Er ist ein anerkannte­r Fachmann für Technologi­e- und Industriep­olitik. Nach dem Machtverlu­st der SPD 1999 wurde Flackus zunächst Leiter der Abteilung für anwendungs­nahe Forschung im CDU-geführten Wirtschaft­sministeri­um. „Er hat mir damals seine volle Loyalität angeboten, und die ist auch nie verletzt worden“, sagt der damalige Wirtschaft­sminister Hanspeter Georgi (CDU). Flackus war maßgeblich an der ersten Innovation­sstrategie des Landes beteiligt und baute ein Netzwerk aus Nano- und Biotechnol­ogie-Unternehme­n auf, dessen Vorsitzend­er er heute ist. „Er ist ein guter Mann, ein guter Analytiker“, sagt Georgi. Enttäusche­nd sei aber, dass Flackus später zu den Linken ging.

Nach einem fünfjährig­en Zwischensp­iel als kaufmännis­cher Geschäftsf­ührer am Institut für Neue Materialie­n (INM) kehrte Flackus 2010 ins Wirtschaft­sministeri­um zurück, diesmal leitete er unter FDP-Minister Christoph Hartmann und Staatssekr­etär Peter Hauptmann, den Flackus gut kennt, die Technologi­e-Abteilung. Ein Linker als Abteilungs­leiter in einem FDP-Ressort! Flackus weiß, dass er seine Karriere nicht nur Lafontaine zu verdanken hat. Auch CDU und FDP hätten ihm eine Chance gegeben, „das habe ich nicht vergessen“, sagt der Beamte. Was ihn freilich nicht davon abhält, politische Unterschie­de zu benennen. So ist er der Ansicht, dass der Standort Saarland in der Regierungs­zeit der CDU durch zu geringe Investitio­nen zurückgefa­llen ist.

Seit 2012 ist Flackus kaufmännis­cher Geschäftsf­ührer des landeseige­nen Zentrums für Mechatroni­k und Automatisi­erungstech­nik (ZeMA), an dem 50 Ingenieure in einem riesigen Labor an neuen Robotern und Assistenzs­ystemen forschen, unter anderem für Ford, ZF, Bosch oder Thyssen-Krupp. Flackus sieht die Roboter als große Chance. Die Sorge, dass Roboter massenweis­e Jobs überflüssi­g machen könnten, teilt er nicht. „Für mich ist die linke Frage: Wie werden die Effizienzg­ewinne verteilt?“, sagt Flackus.

Politisch gesehen hat er eine ähnliche Entwicklun­g genommen wie Oskar Lafontaine. Die SPD, der Flackus 1974 als Wirtschaft­s- und Politikstu­dent in Bonn beigetrete­n war, verließ er 2008 – wegen der Agenda 2010, aber auch, weil er, der in Bonn einst eine Friedensin­itiative gründete, die Auslandsei­nsätze der Bundeswehr und die zunehmende­n Rüstungsex­porte nicht mehr akzeptiere­n wollte.

In die Linke trat Flackus 2009 ein, ein Amt hatte er seither nie. Das Angebot, Landesgesc­häftsführe­r zu werden, lehnte er vor Jahren ab. Er wollte ein stiller Zuarbeiter bleiben. Nun wird er vor der Landtagswa­hl plötzlich als Wirtschaft­sminister oder Staatssekr­etär in einer rot-rot-grünen Landesregi­erung gehandelt. Flackus sagt zwar, er würde gerne als Bierbaums Nachfolger Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der Linksfrakt­ion im Landtag werden. Aber Fraktionsc­hef Oskar Lafontaine sagt auch, bei der Bildung einer Regierung mit Beteiligun­g der Linken werde Flackus „eine Rolle spielen“. Ob es überhaupt zu einer solchen Koalition kommt, ist für Flackus noch nicht ausgemacht. Erst einmal muss es mathematis­ch reichen. Das ehemalige SPDMitglie­d sagt: „Wenn die SPD noch einmal in eine große Koalition geht, würde sie das zerreißen.“

„Jochen Flackus wird bei der Regierungs­bildung eine Rolle spielen.“ Oskar Lafontaine Linken-Fraktionsc­hef im Landtag

 ??  ?? Jochen Flackus (rechts) im Jahr 1996 als Regierungs­sprecher bei einer Pressekonf­erenz mit dem damaligen Ministerpr­äsidenten Oskar Lafontaine und der damaligen EU-Kommissari­n Monika Wulf-Mathies. FOTO: ANDREAS ENGEL
Jochen Flackus (rechts) im Jahr 1996 als Regierungs­sprecher bei einer Pressekonf­erenz mit dem damaligen Ministerpr­äsidenten Oskar Lafontaine und der damaligen EU-Kommissari­n Monika Wulf-Mathies. FOTO: ANDREAS ENGEL
 ??  ?? Jochen Flackus kandidiert für den Landtag FOTO: OLIVER DIETZE
Jochen Flackus kandidiert für den Landtag FOTO: OLIVER DIETZE

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