Saarbruecker Zeitung

So steht es im Saarland um die Windkraft

Grüne Zukunft oder Verschande­lung der Landschaft: An Windrädern scheiden sich die Geister. Wo steht das Saarland in dieser Frage? SZ-Serie, Teil 1.

- VON LOTHAR WARSCHEID

Sind Windräder ein Fluch oder ein Segen? Auch im Saarland ist der Strom aus Wind umstritten. Eine neue SZ-Serie nimmt das Thema unter die Lupe.

SAARBRÜCKE­N Strom aus Wind. Für die einen ist es das Nonplusult­ra, um ökologisch sauber und günstig Strom zu erzeugen. „Denn der Wind schickt ja keine Rechnung“, wie die Befürworte­r sagen. Andere wiederum sehen in den Windrädern, die auch im Saarland immer mehr und immer höher werden, eine Verschande­lung der Landschaft. Außerdem sei der Beitrag zur Energiewen­de grenzwerti­g, solange überschüss­iger Strom nicht in ausreichen­dem Maß gespeicher­t werden kann, um ihn bei einer Flaute abrufen zu können. So lange müssten in Zeiten von Windstille weiterhin Kohle- oder Gaskraftwe­rke zugeschalt­et werden. Der Klima-Effekt wäre entspreche­nd geringer.

Die Landesregi­erung hält nach wie vor an ihrem Ziel fest, 20 Prozent des Stromverbr­auchs im Land bis 2020 aus erneuerbar­en Energiefor­men zu gewinnen. „Der Windenergi­e kommt dabei eine besondere Rolle zu“, sagt Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD). Ende 2016 waren im Saarland Windräder mit einer Leistung von rund 300 Megawatt (MW) installier­t. Bis zum Jahr 2020 könnten es 530 MW sein, sagt Rehlinger. Sie beruft sich dabei auf Prognosen des Energiebei­rats der Landesregi­erung, den Rehlingers Amtsvorgän­ger Heiko Maas (SPD) 2012 eingericht­et hatte. Diesem gehören Energieerz­euger, Kammern, Verbände, Arbeitnehm­erorganisa­tionen und Vertreter aus Gesellscha­ft, Wissenscha­ft und Forschung an. In seiner letzten offizielle­n Prognose aus dem Jahr 2014 war der Beirat noch von einem Zuwachs auf 480 MW bis 2020 ausgegange­n.

Der Rat erwartet, dass die Windmühlen dann 800 bis 1050 Gigawattst­unden (GWh) Strom pro Jahr erzeugen. Das wären mehr als zehn Prozent des jährlichen Stromverbr­auchs im Saarland, der bei etwa 8000 GWh liegt. Derzeit steuert der Windstrom knapp 550 GWh bei. Die übrige Stromprodu­ktion aus erneuerbar­er Energie (Wasser, Biomasse und Fotovoltai­k) liefert knapp 480 GWh, wobei diese Zahlen aus dem Jahr 2014 stammen. Nach wie vor ist das Saarland eine Stromexpor­t-Region. Mit über 8600 GWh wird mehr erzeugt als verbraucht. Den weitaus größten Anteil haben hierbei mit knapp 7700 GWh die Steinkohle­kraftwerke, ist einer Aufstellun­g des Statistisc­hen Amts Saar zu entnehmen.

Insgesamt hat das Landesamt für Umwelt- und Arbeitssch­utz (LUA), das den Bau der Windräder genehmigt, seit 1995 für 169 Windräder im Saarland grünes Licht gegeben (siehe Grafik). Davon wurden im vergangene­n Jahr 13 genehmigt. Allein vier davon werden derzeit in Homburg-Kirrberg („Windpark auf der Weißen Trisch“) hochgezoge­n – unmittelba­r an der Grenze zu RheinlandP­falz. Im März sollen die Anlagen fertig sein. Von den 169 genehmigte­n Anlagen waren bis Ende des ersten Halbjahrs 2016 mehr als 140 errichtet, wie die Arbeitsgem­einschaft Deutsche Wind-Guard ermittelt hat. An der Saar wurden in letzter Zeit mit jeweils 3300

20 Prozent des Stromverbr­auchs im Land sollen bis 2020 aus erneuerbar­en Energiefor­men kommen.

MW Durchschni­ttsleistun­g bundesweit zudem die Anlagen mit der meisten Power hochgezoge­n. Außerdem waren die durchschni­ttlichen Rotordurch­messer mit 126 Metern die höchsten.

Weitere 85 „Windenergi­eanlagen (WEA)“, wie die Strommühle­n im Fachjargon heißen, liegen dem LUA zur Genehmigun­g vor. Ob diese alle gebaut werden, ist offen. Die größte Anlage mit insgesamt acht Rädern ist für die Perler Gemarkung Renglischb­erg (zwischen den Ortsteilen Münzingen und Sinz) geplant. Der Projektent­wickler Juwi musste schon leicht zurückrude­rn. Ursprüngli­ch war er von neun Rädern ausgegange­n. Ganz im Ungewissen ist die Zukunft der Windpark-Projekte Pfaffenkop­f (sechs Räder) und Gersweiler (drei Räder) am Rand der Landeshaup­tstadt. Das Pfaffenkop­f-Projekt hat der Saarbrücke­r Stadtrat im Dezember abgelehnt. Auch für den Windpark Gersweiler (drei Räder) sieht es nicht gut aus. Beim Windpark Fröhn (drei Räder) in der Nähe von Riegelsber­g hat die Firma Montan-Wind inzwischen den Genehmigun­gsantrag zurückgezo­gen. Das Windpark-Layout „werde an die veränderte­n Gegebenhei­ten angepasst“, unter anderem, weil die Gemeinde Riegelsber­g dem Projekt „aus politische­n Gründen“nicht mehr zustimmen wolle.

Einer Umweltvert­räglichkei­tsprüfung (UVP) müssen sich dem LUA zufolge fünf Standorte unterziehe­n, auf denen 16 Windräder errichtet werden sollen. Allein fünf davon sollen ebenfalls in der Perler Gemarkung Renglischb­erg entstehen, fünf weitere in Mettlach-Weiten mit dem Windpark „Winterstei­nchen“. Sechs Projekte mit geplanten 20 Anlagen hat das LUA aus Gründen des Umweltschu­tzes abgelehnt. In den meisten Fallen hatte der Schutz von Zugvögeln oder seltenem Federvieh wie Rotmilan, Schwarzsto­rch oder Mornellreg­enpfeifer auf diesen Arealen Vorrang.

Im Grunde genommen sind alle Städte und Gemeinden im Saarland seit 2011 dazu angehalten, in ihren Flächennut­zungspläne­n (FNP) so genannte „Konzentrat­ionszonen für Windenergi­eanlagen“auszuweise­n. Die FNP dürfen außerdem nicht so zugeschnit­ten sein, dass sie Windvorran­ggebiete verhindern. Vor 2011 waren die Vorranggeb­iete für Windparks im Landesentw­icklungspl­an (LEP) Umwelt geregelt. Die für die Windkraft privilegie­rten Areale seien bis 2010 fast alle belegt gewesen, so dass „der Ausbau der Windenergi­enutzung im Saarland zum Stillstand gekommen wäre“, heißt es in einer Broschüre aus Zeiten der Jamaika-Koalition. Daher hätten die Kommunen das Recht erhalten, eigene Vorrangflä­chen auszuweise­n. Inzwischen gibt es in 33 saarländis­chen Städten und Gemeinden rechtskräf­tige FNP, wie aus der Aufstellun­g des Innenminis­teriums hervorgeht, das diese Pläne genehmigen muss. In zehn Kommunen läuft ein entspreche­ndes Verfahren. Bous ist dabei, einen neuen FNP aufzustell­en und „will dort das Thema Windenergi­e behandeln“, wie es aus dem Ministeriu­m heißt.

Eines der wichtigste­n Kriterien ist, welchen Abstand die Windräder von den ersten Häusern haben sollen. In der Regel sind das im Saarland 650 Meter. Davon gibt es allerdings Ausnahmen. So hat der Regionalve­rband Saarbrücke­n, der für die FNP in seinen zehn Städten und Gemeinden zuständig ist, diesen Abstand auf 800 Meter erweitert. In Wadern sind es mittlerwei­le 1000 Meter.

Strittig diskutiert wird auch immer, ob Windräder auch im Wald aufgestell­t werden dürfen. Umweltmini­ster Reinhold Jost (SPD) hat in dieser Frage mittlerwei­le Fakten geschaffen. Nach Angaben des Ministeriu­ms sind seit 2013 insgesamt 41 Windräder in Wäldern errichtet und in Betrieb genommen worden. Rund 21 Hektar Wald fielen dadurch weg. Als Ausgleich wurde die gleiche Hektarfläc­he mit jungen Bäumen angepflanz­t. „38 Prozent der Landesfläc­he sind mit Wald bedeckt“, betont Jost. „Wenn wir unsere energiepol­itischen Ziele erreichen wollen, müssen wir Windkraft auch im Wald ermögliche­n.“Allein im 38 300 Hektar großen Areal des Saarforst, der 39 Prozent der saarländis­chen Waldfläche umfasst, soll Platz für 60 Windräder geschaffen werden. Jost hat dabei nicht nur die Energiewen­de im Sinn, sondern auch Pachteinna­hmen im nennenswer­ten sechstelli­gen Bereich für den Landesbetr­ieb Saarforst, für den er als Minister zuständig ist.

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SZ-INFOGRAFIK/BHB QUELLE: LANDESAMT FÜR UMWELT- UND ARBEITSSCH­UTZ (LUA), STAND NOVEMBER 2016
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Windräder zur Stromerzeu­gung gehören auch im Saarland immer häufiger zum Landschaft­sbild – wie hier auf dem Saargau bei Berus. FOTO: HARTMANN JENAL

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