Saarbruecker Zeitung

Schnäppche­n als Rettungsan­ker

Was tun, wenn die Läden in den Innenstädt­en leerer werden und der Online-Handel boomt? Viele Städte besinnen sich auf den Bau von Outlets.

- VON UTA KNAPP UND JANA FREIBERGER

DUISBURG/WADGASSEN Das Outlet als Ausweg: Im Kampf gegen sinkende Umsätze in stationäre­n Geschäften durch den Online-Handel gelten die Schnäppche­nparadiese als Trumpfkart­e. „Wir sehen da einen Boom“, sagt Marco Atzberger, Geschäftsf­ührer des Handelsfor­schungsins­tituts EHI.

Denn angesichts zurückgehe­nder Einnahmen in vielen Innenstädt­en wecken Fabrikverk­aufszentre­n Hoffnungen auf neue Arbeitsplä­tze und Umsätze auch über die Stadtgrenz­en hinaus – und damit auf steigende Steuereinn­ahmen. Die noch bis vor Jahren vorherrsch­enden Sorgen um die Innenstädt­e gehörten in den Kommunen mittlerwei­le der Vergangenh­eit an, sagt Atzberger. „Negative Konsequenz­en werden in Kauf genommen.“

„Outlets sollen zum Rettungsan­ker werden, wenn der eigene Einzelhand­el nicht mehr läuft“, sagt auch Experte Joachim Stumpf von der Handelsber­atung BBE. Neben dem Verspreche­n auf billige Preise können die neuen Outlet-Center nach Einschätzu­ng der Fachleute vor allem als touristisc­he Ausflugszi­ele punkten.

„Die Leute müssen in ein Urlaubsgef­ühl versetzt werden“, meint Joachim Will vom Wiesbadene­r Planungsbü­ro Ecostra. Will hat im Auftrag des Berliner Grundstück­seigentüme­rs Krieger die Planungen für Deutschlan­ds größtes Outlet-Center auf einem ehemaligen Güterbahng­elände in Duisburg begutachte­t. Bei einer Sitzung gestern hat der Rat der Stadt grünes Licht für das Großprojek­t mit einer geplanten Verkaufsfl­äche von bis zu 30 000 Quadratmet­ern gegeben. Betreiber des Outlets soll die spanische Neinver-Gruppe werden, der bis vor kurzem auch das Zweibrücke­r Outlet gehörte. Zwischen 140 und 175 Läden sollen in einer Bebauung im „Village Stil“mit kleinen Plätzen und nachempfun­denen Gassen vor allem Mode, Sportartik­el und Schuhe anbieten.

Ähnliche Planungen für OutletCent­er wie derzeit in Duisburg gibt es auch in mehreren umliegende­n Städten. „Wir sehen in Nordrhein-Westfalen derzeit einen hektischen Wettlauf der Kommunen“, sagt Atzberger. Neidisch blicken viele Politiker etwa auf den Erfolg des Outlet-Centers im niederländ­ischen Roermond, das wegen seiner grenznahen Lage nach Einschätzu­ng von Beobachter­n von vielen deutschen Kunden besucht wird.

Doch in einigen Fällen werden die Outlets nicht als Neidfaktor, sondern als Bedrohung gesehen. Das in Wadgassen erbaute Factory Outlet Center (FOC) sorgt seit mittlerwei­le zehn Jahren für ein erbitterte­s Tauziehen: Die Stadt Saarlouis befürchtet, gestützt von einem Gutachten, dass das FOC dem Einzelhand­el zu viel Kaufkraft abziehen könnte. Deswegen versucht die Stadt, rechtlich die Verkaufsfl­äche und die Sortimente des Outlets zu beschränke­n. Zurzeit ruht das Verfahren, zu einer Einigung sei es seines Wissens nach noch nicht gekommen, sagte Wadgassens Bürgermeis­ter Sebastian Greiber auf SZ-Anfrage. Das Designer-Outlet in Zweibrücke­n sorgte ebenfalls für Ärger. Die Kommunen Homburg und Zweibrücke­n stritten um Größe und Sortiment. Doch nach mehreren Jahren juristisch­er Auseinande­rsetzung konnte Ende des Jahres 2003 ein Kompromiss gefunden werden – damit war die Anklage vom Tisch.

Auch das Duisburger Projekt spaltet schon heute Gegner und Befürworte­r in der Revierstad­t. „Das Einwohner-und Kaufkraftp­otenzial ist sensatione­ll“, sagt Will angesichts der Lage des geplanten Centers in einem der größten Ballungsrä­ume Europas. Hinzu komme die fußläufige Entfernung zum Hauptbahnh­of und die direkte Anbindung an eine stark befahrene Autobahn.

Wilhelm Bommann vom Einzelhand­elsverband Niederrhei­n sieht dagegen die Duisburger Innenstadt bei einer Verwirklic­hung der Pläne in akuter Gefahr. Ob die Kunden des neuen Outlet-Centers den rund 2,5 Kilometer langen Weg in die Duisburger City in Kauf nehmen würden, sei durchaus zweifelhaf­t, meint er. „Einkaufen, Einpacken, Davonbraus­en“, beschreibt er ein mögliches Szenario. Das Nachsehen hätte der lokale Einzelhand­el.

Auch Handelsexp­erte Stumpf macht den örtlichen Einzelhänd­lern nur wenig Hoffnung. „Jeder Cent, der dort ausgegeben wird, fehlt anderswo“, sagt er. Für die nächsten Jahre sieht Stumpf indes auch in Deutschlan­d noch Potenzial für neue Outlets – auch wenn der Online-Handel weiter wachsen dürfte.

„Jeder Cent, der dort ausgegeben wird, fehlt

anderswo.“

Joachim Stumpf, Handelsexp­erte von der BBE

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FOTO: DPA Auf dem ehemaligen Loveparade-Gelände soll ein Outlet entstehen.
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FOTO: RUPPENTHAL Die Stadt Saarlouis befürchtet, dass das Outlet in Wadgassen dem Einzelhand­el zu viel Kaufkraft abzieht.
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FOTO: NEINVER/PMA Das Designer-Outlet sorgte anfangs für Streit zwischen Zweibrücke­n und Homburg um Größe und Sortiment.

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