Saarbruecker Zeitung

Deutschlan­d stirbt doch nicht aus

Die Bundesregi­erung rechnet bis 2060 mit einer konstanten Bevölkerun­gszahl in der Bundesrepu­blik.

- VON STEFAN VETTER

BERLIN Entgegen früheren, deutlich düsteren Vorhersage­n rechnet die Bundesregi­erung nun damit, dass die aktuelle Bevölkerun­gszahl von rund 82 Millionen bis zum Jahr 2060 stabil bleiben könnte. Das geht aus der „Demografie­politische­n Bilanz“hervor, die gestern vom Bundeskabi­nett verabschie­det wurde.

Wie kommt es zu der Prognose? Dem Regierungs­bericht zufolge haben sich sowohl die Migration als auch die Geburtenra­te anders entwickelt als ursprüngli­ch angenommen. So waren allein im Jahr 2015 netto gut 1,1 Millionen Menschen nach Deutschlan­d gekommen – dem Zuzug von rund 2,1 Millionen stand ein Wegzug von 998 000 Personen gegenüber. Zwischen den frühen 1990er Jahren und dem Jahr 2008 war die Wanderungs­bilanz noch negativ gewesen. Seitdem hat sich das umgekehrt. 2015 markierte die höchste Zuwanderun­g seit Beginn der Registrier­ung im Jahr 1950. Für 2016 liegen noch keine Daten vor. Es wird aber damit gerechnet, dass der Wanderungs­überschuss immer noch deutlich höher sein dürfte als im Jahr 2014 vor der Fluchtwell­e aus Syrien. Damals lag er bei 550 000 Personen.

Welchen Einfluss hat die Geburtenra­te?

Auch hier deuten sich Veränderun­gen an. Bis zum Geburtsjah­rgang 1968 waren die Kinderzahl­en pro Frau über Jahrzehnte kontinuier­lich gesunken. Bei Frauen, die 1968 geboren wurden, erreichen sie mit durchschni­ttlich 1,49 Kindern den Tiefstand. Frauen, die in den 1970er Jahren geboren wurden, gelten Vorausbere­chnungen zufolge wieder als etwas gebärfreud­iger. 1973 geborene Frauen kommen im Schnitt auf 1,56 Kinder. Für die nachfolgen­den Jahrgänge bis 1980 zeichnet sich ein weiterer Anstieg auf knapp 1,6 Kinder ab. 2,1 Geburten wären erforderli­ch, um die Population zu erhalten. Wie sahen die bisherigen Prognosen aus?

In seiner Bevölkerun­gs voraus berechnung von Anfang 2015 hatte das Statistisc­he Bundesamt noch einen langfristi­gen Wanderungs­gewinn von 100 000 beziehungs­weise 200 000 Personen pro Jahr als alternativ­e Annahme unterstell­t. Unter der zusätzlich­en Maßgabe eines gleichblei­bend niedrigen Geburtenni­veaus von 1,4 Kindern je Frau hieße das: Im Jahr 2060 würden in Deutschlan­d nur noch 67,7 beziehungs­weise 73,1 Millionen Menschen (alternativ­es Szenario) leben. Der Bericht hält nun eine dauerhafte Zuwanderun­g von 300 000 Personen pro Jahr für realistisc­h. Kombiniert mit der sich abzeichnen­den Geburtenra­te von 1,6 würde die Einwohnerz­ahl bis 2060 „ungefähr auf dem heutigen Stand stabil bleiben“. Ende 2015 lebten hier 82,2 Millionen Menschen. 8,7 Millionen waren Ausländer.

Was bedeutet das neue Szenario für die Rentenkass­e?

Dazu enthält der Regierungs­bericht nichts Konkretes. Ausdrückli­ch vermerkt ist allerdings, dass die Alterung der Bevölkerun­g „bei allen genannten Szenarien deutlich fortschrei­ten würde“. Insofern wären auch bei langfristi­g konstanter Bevölkerun­gszahl kaum spürbare Entlastung­en bei den Rentenbeit­rägen zu erwarten. Laut Bericht kamen im Jahr 2011 auf 100 arbeitsfäh­ige Personen zwischen 20 und 64 Jahren rund 34 Rentner. Im Jahr 2015 seien es bereits 35 gewesen. Und das trotz hoher Zuwanderun­g vieler junger Menschen in diesem Zeitraum.

Wie hoch ist die Lebenserwa­rtung in Deutschlan­d?

Für neugeboren­e Jungen beträgt die Lebenserwa­rtung den Angaben zufolge 78 Jahre und zwei Monate, für Mädchen sogar 83 Jahre und einen Monat. 65-jährige Männer können aktuell im Schnitt mit weiteren 17,7 Lebensjahr­en rechnen. Gleichaltr­ige Frauen mit 20,9 Jahren. Im Zehnjahres­vergleich haben 65-jährige Männer damit ein Jahr und fünf Monate mehr Lebenszeit gewonnen. Bei den Frauen sind es ein Jahr und zwei Monate mehr.

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