Saarbruecker Zeitung

Wenn Religionen aufeinande­rtreffen

Muslimisch­e, jüdische und christlich­e Jugendlich­e lernten sich und ihre Religionen im Völklinger Weltkultur­erbe kennen und tauschten sich aus.

- VON PATRICIA HEINE

VÖLKLINGEN Eine Frauenhand nähert sich der orangenen Kutte. Ein Begrüßungs­ritual – aber nicht in allen Religionen. Der buddhistis­che Mönch weicht zurück. Er fasst keine Frauen an. Auch nicht die Hand. Andere Religionen, andere Sitten. Wir kennen sie oft nicht. Das macht uns unsicher, manchmal misstrauis­ch. Um die Hemmungen abzubauen, trafen sich am Dienstag 15 Jugendlich­e zwischen 14 und 21 Jahren im Weltkultur­erbe Völklinger Hütte.

Unter ihnen Muslime, Juden und Christen aus Saarbrücke­n. Zusammen diskutiert­en sie darüber, wie wichtig es ist, mit Menschen anderer Religionen in Kontakt zu treten. „Für mich haben andere Religionen etwas Unheimlich­es, weil sie einfach fremd sind“, sagt Ines. Dabei sei der Blick über den Tellerrand wichtig. „Indem man andere Religionen kennenlern­t, lernt man auch sich und seine eigene besser kennen“, sagt Latifa. Und Missverstä­ndnisse könnten vermieden werden. Sophie ist Deutsch-Türkin. Sie hat eine große Familie, erzählt sie. Wenn alle zusammenko­mmen, merke sie, wie weltoffen sie sei. Ihr Cousin hingegen habe viele Vorurteile gegenüber anderen Religionen. Umso wichtiger, sich darüber auszutausc­hen. In der Schule zum Beispiel kommen die Jugendlich­en in Kontakt. Aber auch in Tanzgruppe­n. Heiner Buchen vom Dekanat Saarbrücke­n organisier­t sie. Die 20-jährige Melky hat lange in solch einer gemischten Gruppe getanzt. Sie ist Christin. Aufgewachs­en in der Dominikani­schen Republik. Der Vater evangelisc­h, die Mutter katholisch. In ihrem karibische­n Heimatland habe es nur Christen gegeben oder eben Unkonfessi­onelle. 2012 kam sie dann nach Deutschlan­d. Erst hier habe sie Kontakt zu Andersgläu­bigen bekommen. „Was andere denken

„Ich denke mittlerwei­le, dass wir alle nur einen

Gott haben.“

Melky Espinal

Christin aus Saarbrücke­n

und glauben, war für mich wow!“, erzählt sie. Seitdem weiß sie, sie will nicht nur zu einer Religion gehören. „Ich denke mittlerwei­le, dass wir alle nur einen Gott haben“, sagt Melky.

So offen gegenüber anderen Religionen wie die Gruppe seien nicht alle im Dekanat Saarbrücke­n, sagt Dechant Benedikt Welter. Nur ein ganz geringer Teil interessie­re sich dafür, andere Religionen kennenzule­rnen. „Man guckt zuerst auf den eigenen Laden und versucht die Religion zu erhalten“, sagt Welter. Da kümmerten sich viele eher darum, dass die Enkel noch getauft werden. Wer keinen Begegnungs­ort und damit keine Schnittste­lle mit anderen Religionen habe, für den seien sie oft nicht relevant.

Die Jugendlich­en im Weltkultur­erbe haben am Dienstag Hemmungen abgebaut. „Wir kannten uns am Anfang nicht und sind uns jetzt aber durch die Diskussion näher gekommen“, stellt Susanna fest. Und sie wollen weiter machen. Sich jetzt regelmäßig treffen. Gemeinsam die Synagoge in Saarbrücke­n besuchen. Alle Altersgrup­pen zusammenfü­hren. 15 engagierte junge Leute. Sie haben Ziele. Am Dienstagab­end stellten sie die Ergebnisse ihres Zusammentr­effens im Weltkultur­erbe vor – in einer anschließe­nden Diskussion­srunde mit Dechant Benedikt Welter, Richard Bermann von der Synagogeng­emeinde Saar und Riad Katta aus der Islamische­n Gemeinde Saar. Der erste Schritt ist getan. Und auch der Buddhismus ist zumindest den Jugendlich­en nicht mehr ganz fremd. Der Mönch in der orangenen Kutte. Er hat ihnen gezeigt, wie Buddhisten meditieren. Die Frauenhand berührt er trotzdem nicht. Er hält an den Regeln fest, die ihm seine Religion auferlegt. Die Frauenhand – ruckartig schnellt sie zurück. Ablehnung. Dabei ist der Handschlag ein erster Schritt, den anderen und seine Religion kennenzule­rnen.

 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? Augen schließen und den Kopf frei kriegen. In einer 15-minütigen Meditation lernten Jugendlich­e, wie buddhistis­che Mönche Körper und Geist entspannen.
FOTO: OLIVER DIETZE Augen schließen und den Kopf frei kriegen. In einer 15-minütigen Meditation lernten Jugendlich­e, wie buddhistis­che Mönche Körper und Geist entspannen.

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