Krimineller Schlingerkurs
Neu im Kino: „Live By Night“von Ben Affleck – In seinem Gangsterepos wird der Regisseur an die Wand gespielt
Gerade erst wurde Ben Affleck als schlechtester Darsteller für die „Goldene Himbeere“nominiert und hat mit seinem Auftritt in „Batman vs. Superman“gute Chancen, sich im Rennen um die Anti-Oscars durchzusetzen. Als Regisseur hingegen ist Affleck ein hoch angesehener Mann.
Seit dem Debüt „Gone Baby Gone“besteht kein Zweifel an seinem filmemacherischen Talent und seiner Liebe zum traditionellen Genrekino, das er ganz gegenwärtig zu inszenieren versteht. In „Live by Night“entwirft er nun vor der einschlägig bekannten Kulisse der Prohibitions-Ära ein großformatiges Gangster-Epos. Dessen Held Joe Coughlin (Ben Affleck) versteht sich weniger als Berufskrimineller denn als Outlaw. Mit kleineren Überfällen sichert er sich in Boston sein bedingungsloses Grundeinkommen, bis er eines Tages an den irischen Mobster Albert White (Robert Glenister) gerät, was ihn zunächst ins Krankenhaus, später ins Gefängnis und schließlich ins sonnige Florida bringt.
Dort soll er für den italienischen Konkurrenten die Rum-Geschäfte neu ordnen. Hier ist nicht nur das Licht wärmer und die Straßen staubiger, sondern auch die Einwohner- und Kriminellenstruktur durchmischt und Joes multiethnische Geschäfts- und Liebesbeziehungen rufen bald den KuKlux-Klan auf den Plan.
„Live by Night“verfügt über einen großen, ausufernden Erzählbogen, der das Amerika der Prohibitionszeit von Norden nach Süden vermisst und in den Gangsterkriegen auch die aktuellen Polarisierungen im Land durchscheinen lässt. Sein Held ist ein Mann von widersprüchlicher Moral und Integrität, der sich im kriminellen Schlingerkurs durch eine Welt aus Gewalt, Korruption und Rassismus bewegt. Das große Problem von „Live by Night“ist allerdings, dass Regisseur Ben Affleck zu großes Vertrauen in den Schauspieler Ben Affleck setzt. Diesem fehlt schlicht die handwerkliche Bandbreite, die eine solch schillernde und ambivalente Rolle erfordert. Das fällt umso mehr auf, als Affleck ein brillantes Nebendarsteller-Ensemble um sich versammelt hat: Brendan Gleeson, Chris Cooper, Sienna Miller, Zoe Saldana, Elle Fanning liefern herausragende Leistungen ab – und spielen ihren Regisseur an die Wand.
USA 2016, 129 Min., Regie: und Buch: Ben Affleck nach einem Roman von Dennis Lehane; Kamera: Robert Richardson; Musik: Harry Gregson-Williams; Darsteller: Ben Affleck, Sienna Miller, Zoe Saldana, Remo Girone, Brendan Gleeson.
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