Versalzene Torten und Böller
Film der Woche: „Die irre Heldentour des Billy Lynn“von Ang Lee – Wenn Soldaten zu heuchlerischen Werbeträgern werden
Krieg im Irak bedeutete für die GIs Kampf in der Fremde und Propaganda zu Hause. Ben Fountains Roman „Billy Lynn’s Long Half Time Walk“erzählte von beidem, von den unterschiedlichen Wahrnehmungen dazu und den heftigen Konflikten, die daraus resultieren können.
Ang Lee hat den Roman verfilmt und ganz nebenbei technisches Neuland betreten. Der Film wurde in den USA ein bestürzender Misserfolg. Was zunächst einmal damit zu tun hat, dass er das Publikum herausfordert mit einem Militärfilm, der keine patriotisch gefärbte Materialschlacht entfesselt.
In Rückblenden zeigt der Film eine Kampfeinheit der amerikanischen Bodentruppen, die im Irak in ein Scharmützel mit Aufständischen verwickelt wird. Als der befehlshabende Offizier (eine überraschend unspektakuläre Rolle für Vin Diesel, der endlich mal wieder zeigt, dass er ein guter Schauspieler sein kann) zwischen die Fronten gerät, setzt Schütze Billy Lynn (jung und filigran: Joe Alwyn) sein Leben aufs Spiel, um den Kameraden zu retten. Die Heldentat schlägt Wellen in der Heimat. Billy und seine Einheit bekommen Fronturlaub und dürfen als Army-Werbeträger im Schatten von Destiny’s Child in der Halbzeit des landesweit übertragenen Footballspiels der Dallas Cowboys am Thanksgiving Day sich selbst salutieren.
Zeitplan und Choreografie zehren bald ebenso an den Nerven wie heuchlerische Sponsoren, geizige Millionäre (Steve Martin, sehr klasse in einer extrem unsympathischen Rolle) und nur an Sekundenspaß interessierte Schlachtenbummler.
Dies ist ein immens vielschichtiger Film, der dem amerikanischen Selbstverständnis ständig versalzene Torten ins selbstzufriedene Antlitz schleudert. Es gibt kleine, nachhaltige Momente, wenn etwa einer der Soldaten während der Böller des Feuerwerks wie unter Sperrfeuer zusammenzuckt oder die Begeisterung von Schlachtenbummlern in brutale Gewalt um schlägt, nur weil die Soldaten sich nicht vorführen lassen wollen. Ang Lees Regie impft dem Film eine Intensität ein, die lange nachklingt.
Die eigentliche Attraktion des Films aber, eine hoch auflösende 3D-Projektion mit 120 Bildern pro Sekunde für extra scharfe Bildwiedergabe, ist aktuell in deutschen Kinos (noch?) nicht verfügbar. (USA/VR China/GB 2016; 112 Min.; Camera Zwo Sb; Regie: Ang Lee, mit Joe Alwyn, Kristen Stewart, Chris Tucker, Vin Diesel)
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