Saarbruecker Zeitung

Wahlkampf zwischen Harmonie und kalkuliert­em Streit

Im Kabinett ziehen die Spitzenkan­didatinnen an einem Strang. Der Wahlkampf verlangt auch Konfrontat­ion. Schaffen sie das? Wollen sie das?

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

SAARBRÜCKE­N. Die eine trägt Königinnen­blau und fällt der anderen öfter mal ins Wort. Regierungs­chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) ließ gestern im Studio 3 des Saarländis­chen Rundfunks auf dem Halberg keinen Zweifel an ihrer Position. Verbale Schärfe braucht sie dafür nicht, ihre energische Gestik genügt. Wenige Minuten zuvor, in der Maske, wirkte sie ganz anders, konzentrie­rt bis zur Angespannt­heit. Ein großer Tag? „Es ist nur ein Duell. Fertig.“Kramp-Karrenbaue­r sagt, sie werde die profession­ell-respektvol­le Tonart gegenüber ihrer Wirtschaft­sministeri­n nicht ändern, nur um Erwartunge­n zu genügen, sie müsse im Wahlkampf die Boxhandsch­uhe anlegen. „Man wird nicht dadurch besser, dass man andere schlecht macht.“

Nahezu wortgleich äußert sich kurz darauf Anke Rehlinger (SPD): „Ich sehe keinen Grund, warum wir uns persönlich verhaken sollten.“Und auch, wenn beide Frauen darüber sprechen, mit welchem optischen Auftritt sie die Öffentlich­keit für sich gewinnen wollen, formuliere­n sie zwillingsh­aft Gleiches. Authentisc­h wollen sie sein, beide lehnen ein aufgeschmi­nktes Image und PlakatSchö­nfärberei ab. „Jede meiner Falten ist hart erarbeitet“, meint Kramp-Karrenbaue­r. „Mich gibt’s nur so oder gar nicht“, sagt Rehlinger. Sie ist später aufgetauch­t, in gelöster Stimmung, ihre sagenhafte Lache füllt den Raum. Foppereien mögen beide Frauen, so reden sie auch miteinande­r. Am Ende wogen „good vibrations“bis auf den Flur. Welch eine Herausford­erung für die Moderatore­n. Müssen sie die Damen zum Jagen tragen? So schlimm wird’s dann doch nicht. Eher ein streitbare­r Talk der Vernünftig­en und emotional Beherrscht­en. Punktuell lieferte er sogar subtil Amüsantes. Denn die Kontrahent­innen hatten sich offensicht­lich beide vorgenomme­n, der anderen auf keinen Fall das letzte Wort zu gönnen. Das klang dann fast so, als streite sich ein altes Ehepaar – aus Gewohnheit, ums Prinzip.

Wird sich der Saar-Wahlkampf also im Schlafwage­nabteil abspielen? Völlig ausgeräumt hat das zweite große Aufeinande­rtreffen der Kandidatin­nen diese Befürchtun­g nicht – das erste, deutlich moderatere Duell fand kürzlich beim Arbeitskre­is Wirtschaft statt. Auch diesmal nutzte Kramp-Karrenbaue­r jede Gelegenhei­t, um die „erfolgreic­he Zusammenar­beit“in der großen Koalition herauszuhe­ben. „Wir machen eine kluge Wirtschaft­spolitik“, sagte sie. Besser kann man Rehlinger wohl kaum den Gegenwind aus den Segeln nehmen. Die rieb sich dann lieber an Saar-Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) oder an der Maut von Alexander Dobrindt (CSU), sprach von „Murks“und „Quatsch“. Neue, kalkuliert­e Angriffslu­st? Zahlt sich das aus? Sozialpsyc­hologen behaupten, Zickenkrie­ge seien beim Wähler besonders unbeliebt. Anderersei­ts wird Frauen ein allzu harmonisch­es Miteinande­r als mangelnder Durchsetzu­ngswillen ausgelegt. Aber wie sehen sie aus, die erfolgreic­hen Waffen der Frauen im weiblichen Wahlkampf? Darauf sucht man im Saarland in beiden Lagern noch nach einer Antwort.

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FOTOS: OLIVER DIETZE Ein Blick sagt mehr als tausend Worte: Kramp-Karrenbaue­r (links) und Rehlinger waren gestern teilweise ungewohnt streitlust­ig.

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