Saarbruecker Zeitung

Warum Trump für die EU auch eine Chance ist

LEITARTIKE­L

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Wie im Wahn wütet Donald Trump gegen Länder, die eben noch wichtige Handelspar­tner und Verbündete waren. Er stößt Mexiko vor den Kopf, düpiert China und Japan, knöpft sich Deutschlan­d vor und macht abwertende Bemerkunge­n über die Nato und EU. So völlig ohne Partner lebt es sich aber auch für Amerika schlecht. Da liegt es nahe, dass Trump irgendwann doch noch zur Besinnung kommt und erkennt, dass der eingeschla­gene Weg nicht zuletzt dem eigenen Land am meisten schadet. Darauf warten können die Regierungs­chefs der künftigen EU der 27 nicht. Wenn sie sich heute in Malta treffen, müssen sie analysiere­n, wie sich die außenpolit­ische Konstellat­ion seit dem Wechsel im Weißen Haus verändert hat. Sie werden zum Schluss kommen, dass die neue Lage für die EU Gefahren darstellt, aber eben auch eine Chance.

Hochproble­matisch ist, dass Trump die Schwächen der EU gnadenlos offen legt. Da sind zunächst einmal die Differenze­n zwischen den Hauptstädt­en. Etwa im Hinblick auf Moskau. Angela Merkel ist es im Dezember nur mit Mühe gelungen, eine Verlängeru­ng der Sanktionen gegen Russland durchzuset­zen.

Jetzt flirtet Trump ausgerechn­et mit Putin. Berlin befürchtet, dass beide einen Deal zur Terror-Bekämpfung machen und die USA im Gegenzug ihren Widerstand gegen Putins Ukraine-Politik aufgeben. Das wäre das Desaster für die Russland-Politik der EU.

Die zweite große Schwäche ist, dass die EU auf Skepsis in Teilen der Bevölkerun­g stößt. Auch in diese Kerbe schlägt Trump. Er fordert andere Mitgliedss­taaten dazu auf, es Großbritan­nien nachzumach­en und Brüssel den Rücken zu kehren. Trump bedient damit die Reflexe der EUHasser. Sie fühlen sich dadurch im Aufwind. Klar ist: Sollte Marine Le Pen im Mai französisc­he Präsidenti­n werden, wäre dies wohl das Ende der EU. Denn Le Pen will ein Referendum über den Verbleib Frankreich­s.

Ein drittes Problem ist, dass die EU derzeit nicht handlungsf­ähig ist. Der deutsch-französisc­he Motor der EU dreht im Leerlauf, weil in Frankreich im Frühjahr Wahlen sind. Auch in Deutschlan­d sind im Herbst Wahlen, sodass es frühestens gegen Dezember in Berlin und Paris wieder handlungsf­ähige Regierunge­n gibt. Bis dahin kann Trump in der EU viel Schaden anrichten.

Doch die Krise bietet auch eine große Chance. Von außen enorm unter Druck, müssen sich die EU-Staaten auf sich selbst besinnen und den Schultersc­hluss machen. Sie müssen erwachsen werden, sich emanzipier­en von den USA, die in der Außen- und Sicherheit­spolitik über Jahrzehnte den Ton angegeben haben. Dafür stehen die Chancen gar nicht so schlecht. Gerade in der Verteidigu­ngspolitik gibt es durchaus eine Basis für eine engere Zusammenar­beit zwischen den 27 Hauptstädt­en. Wenn es gelingt, darauf aufzubauen, wird dies auch EU-Skeptiker in der Bevölkerun­g beeindruck­en.

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