Saarbruecker Zeitung

„Hass und Gewalt waren immer da“

Im Film „Volt“mit Benno Fürmann erzählt der saarländis­che Regisseur von Flüchtling­sunruhen und überforder­ten Polizisten.

-

Der Homburger Regisseur Tarek Ehlail legt nach „Chaostage“(2007) und „Gegengerad­e“(2011) seinen dritten Spielfilm vor: „Volt“erzählt von einem Deutschlan­d, das Flüchtling­e in Transitzon­en sperrt. Der Polizist Volt (Benno Fürmann) tötet bei einem Einsatz einen Flüchtling – und versucht dann, die Tat zu vertuschen.

Ihr Film „Volt“zeigt einen Staat, der am Ende ist. Wie weit liegt das für Sie in der Zukunft?

Ehlail Wir blenden ja den Satz „In naher Zukunft“ein. Ich wollte nicht von einer bestimmten Zukunft an einem bestimmten Ort erzählen. Unsere heutige Gegenwart sollte noch erkennbar sein, der Film ist eine mögliche Konsequenz des heutigen Szenarios.

„Volt“reduziert die Welt auf wenige Schauplätz­e – die Transitzon­e, die Polizeista­tion, ein nächtliche­s Wohngebiet.

Ehlail Der Film ist stilistisc­h vollkommen überhöht, ich wollte das so darstellen wie im Comic. Das Bild dieser nahen Zukunft entsteht für mich durch die Reduktion. Man kann sich vorstellen, wie sich die Zustände verhärtet haben und wie diese Welt ist. Ich wollte auf keinen Fall ein Flüchtling­sdrama machen, da gibt es ja schon so viele. Es geht um eine Welt, in der sich viele Menschen Wohnraum, Bildung und Gesundheit nicht mehr leisten können, diese Tendenz ist ja da. Das schafft klare Fronten, die wir zeigen. Da gibt es die Transitzon­e, dann die „gated communitie­s“, in denen die Leute versuchen, das sogenannte normale Leben zu konservier­en, und die Polizisten. Die sind eigentlich arme Schweine, aber weil sie ihren Kopf hinhalten, bekommen sie auch ihr Häuschen mit Gartenparz­elle und dürfen Teil dieses konservier­ten Lebens sein.

Was werden Polizisten von dem Film halten? Sie sind arme Würstchen, manchmal wirken sie aber auch abgestumpf­t und rassistisc­h. Ehlail Die Frage wurde auf den Festivals, wo der Film lief, schon öfter gestellt – und ich habe keine Ahnung. In München war einer von einer USK-Spezialtru­ppe bei einer Vorführung dabei, der fand den Film ziemlich gut. Ich will die Polizisten auf keinen Fall per se als Rassisten bezeichnet sehen. Der Jargon ist natürlich krass – Blackies, Bimbos, Zigeuner – das sind rassistisc­he Begriffe. Aber da die Polizisten täglich sozusagen an der Front sind, ist das ein Automatism­us. Ich glaube auch nicht, dass bei der Polizei nicht manchmal so gesprochen wird. Das ist aber nicht Ausdruck einer politische­n Haltung. Gab es einen speziellen Ausgangspu­nkt für den Film?

Ehlail Es dauert ja ewig, bis so ein Film fertig ist, was vor allem an der langen Drehbuchen­twicklung liegt. Aber nach „Gegengerad­e“wollte ich unbedingt einen bewusst politische­n Film machen. Ich wollte ursprüngli­ch, wegen der Lage der saarländis­chen Heimat an der französisc­hen Grenze, ein Szenario schreiben, dass sich an die Pariser Unruhen 2005 anlehnt. In meinem Entwurf bringt ein Mann an der Grenze einen anderen Mann um und löst in Deutschlan­d dadurch soziale Unruhen aus wie in Paris 2005. Die Gegenwart hat diese Idee aber überholt, so dass wir das Buch immer wieder verändert haben. Die Grundidee bleib aber stets, dass in Deutschlan­d wieder Grenzzäune errichtet werden, dass kontrollie­rt wird und man von dem offenen Europa wieder wegkommt. Ich kam immer wieder zu dem Thema, wenn ich in Saarbrücke­n an den alten Grenzstati­onen an der Goldenen Bremm vorbeigeko­mmen bin und mir vorgestell­t habe, wie das wäre, wenn die wieder öffnen würden.

Ausschließ­en kann man ja mittlerwei­le nichts. Ehlail Die politische­n Verhältnis­se sind abgefahren, die Stimmung generell total aufgeheizt. Die Wahl von Donald Trump ist natürlich furchtbar, aber es nervt mich, dass alle so tun, als hätte man das nicht ahnen können. Alle sind jetzt wahnsinnig pikiert über den grassieren­den Hass – aber ist doch klar, wenn sich jeder Idiot bei Facebook auskotzen kann. Der Hass und die Gewalt waren ja immer schon da.

Gab es filmische Vorbilder für „Volt“? Ich musste ein paar Mal an John Carpenter denken, an „Assault“und „Die Klappersch­lange“. Ehlail „Die Klappersch­lange“ist natürlich großartig, den Film würde ich immer als Vorbild akzeptiere­n. Was mich auch inspiriert hat, war „Children of Men“mit einer Welt, in der keine Kinder mehr geboren werden. „Blade Runner“ist auch fantastisc­h, weil er eine Welt in völliger Dunkelheit entwirft. Wir wollten eine Art Retro-Futurismus erschaffen.

Wie groß war die Produktion? Ehlail Wir haben gut drei Wochen gedreht, da muss man schon kämpfen. Aber man muss mit dem auskommen, was man hat.

Das bizarre Gebäude am Ende mit dem Bundesadle­r – wo steht das ? Ehlail Das ist das ehemalige Flughafeng­ebäude in Ossendorf in Köln. Das Ende der Welt liegt also in Nordrhein-Westfalen.

Sie haben auch in Neunkirche­n gedreht, an den alten Hochöfen? Ehlail Ja klar, die Saarländer werden das erkennen. Aber, wie gesagt, ich wollte den Film nirgendwo fest verorten. Tobias Kessler führte das Interview. ............................................. Tarek Ehlail stellt „Volt“am Montag, 6. 2., um 20 Uhr im Eden Kino in Homburg vor; am Freitag, 10. Februar, kommt er mit dem Film zu einem Werkstattg­espräch ins Kino Achteinhal­b in Saarbrücke­n.

 ?? FOTO: FELIX GEMEIN/AUGENSCHEI­N FILM ?? Benno Fürmann als Polizist Volt, der in der Flüchtling­szone Schuld auf sich lädt.
FOTO: FELIX GEMEIN/AUGENSCHEI­N FILM Benno Fürmann als Polizist Volt, der in der Flüchtling­szone Schuld auf sich lädt.
 ??  ?? Regisseur und Drehbuchau­tor Tarek Ehlail
Regisseur und Drehbuchau­tor Tarek Ehlail

Newspapers in German

Newspapers from Germany