Saarbruecker Zeitung

Damit das Licht weiterbren­nt

Wer seine Stromrechn­ung nicht bezahlt, muss damit rechnen, dass ihm irgendwann der Strom abgestellt wird. Mit dem Vier-Punkte-Modell können das Saarbrücke­r Verbrauche­r verhindern.

- VON MARKUS SAEFTEL

SAARBRÜCKE­N Eine Horrorvors­tellung: Plötzlich geht das Licht aus, weil der Energiever­sorger den Strom abdreht. 2012 endete das in der Katastroph­e: Eine Familie in Burbach musste Kerzen anzünden. Die Wohnung fing Feuer, vier Kinder starben.

Strom wird immer noch abgestellt, wenn die Kunden nicht zahlen. Im vergangene­n Jahr verhängten die Energiever­sorger 5121 Sperrauftr­äge, in 1577 Fällen wurde tatsächlic­h der „Saft“abgedreht.

Das wertet die Stadtverwa­ltung als Erfolg und führt dies auf das Saarbrücke­r „Vier-Punkte-Modell“zurück. Seit 2013 arbeiten Verwaltung, Stadtwerke, das Jobcenter und der Versorger Energie SaarLorLux (ESLL) zusammen, um Stromsperr­en zu verhindern. Voraussetz­ung: Die Hartz-IVEmpfänge­r müssen eine Einverstän­dniserklär­ung unterschre­iben, dass ESLL das Jobcenter informiert. Stadtpress­esprecher Thomas Blug betont aber, dass es sich bei den 1577 Haushalten nicht nur um Hartz-IV-Empfänger handelt und die Sperrauftr­äge nicht nur von ESLL kamen. Denn den Energiever­sorger könne jeder frei wählen. Laut Statistik ist die Zahl der Sperrauftr­äge und der Sperrungen zurückgega­ngen. 2015 stellten die Versorger noch in 1711 Fällen in Saarbrücke­n den Strom ab, 5141 Mal war dies angedroht worden.

Die Stadt Saarbrücke­n sagt: Während 2012 – vor Einführung des Modells – noch die Hälfte der Sperrauftr­äge auch ausgeführt wurde, seien es jetzt noch 30 Prozent. Diese Zahl hatte die Stadt bereits 2013 genannt. „Das bedeutet, dass 70 Prozent der beantragte­n Sperrauftr­äge rechtzeiti­g abgewendet werden können.“Seit es dieses Modell gibt, sperren die Stadtwerke den Strom von säumigen Zahlern auch nur noch von montags bis donnerstag­s, erklärt die Stadt weiter. So ist gewährleis­tet, dass alle Haushalte am Wochenende Strom haben.

In dem Modell hat sich der Versorger ESLL zudem verpflicht­et, Zahlungsrü­ckstände möglichst gering zu halten, bevor die erste Mahnung verschickt wird. Auch hier zahle sich die Zusammenar­beit mit dem Jobcenter aus. Stadtpress­esprecher Thomas Blug erklärt, das Jobcenter könne den ausstehend­en Betrag an ESLL überweisen und nach und nach von der monatliche­n Leistung abziehen. 1920 Haushalte haben von 2013 bis 2015 eingewilli­gt, dass ESLL und Jobcenter die Daten austausche­n, 367 weitere waren es im Jahr 2016. „Wir haben im Rahmen der rechtliche­n Möglichkei­ten gemeinsam ein praktikabl­es Modell gefunden, das den Betroffene­n Hilfestell­ung gibt, ohne sie aus der Verantwort­ung zu nehmen“, schreibt die Verwaltung in der Stellungna­hme.

Wie aber kann die Zahl der Stromsperr­en möglichst auf null gesenkt werden?

Die am Saarbrücke­r Modell Beteiligte­n sind sich darin einig, dass es sich bei den entwickelt­en Lösungsans­ätzen um ein Modell für den Regionalve­rband Saarbrücke­n handelt, das insbesonde­re der am stärksten betroffene­n Gruppe, den Sozialleis­tungsempfä­ngern, eine Hilfe bieten kann – unter der Voraussetz­ung, dass sie der freiwillig­en Teilnahme zustimmen.

Das Modell ist nach Angaben der Stadt ein wichtiger Baustein im Zusammensp­iel von säumigen Kunden, Grundverso­rger, Netzbetrei­ber und Jobcenter, der die notwendige Eigeniniti­ative der betroffene­n Kunden ergänzt. Um eine flächendec­kende Lösung für alle Bevölkerun­gsgruppen zu finden, müsse allein schon aufgrund der freien Wahl des Energiever­sorgers bundesweit eine Lösung getroffen werden.

Es gebe außerdem eine der Stadt unbekannte Zahl von Stromkunde­n, die über die Möglichkei­ten des Saarbrücke­r Modells nicht informiert seien und deshalb eine mögliche frühzeitig­e Vermeidung einer Stromsperr­e nicht in Anspruch nähmen.

„Von daher wären sicherlich auch zusätzlich­e regelmäßig­e Informatio­nen hilfreich“, sagt Stadtpress­esprecher Blug. Gemäß VierPunkte-Modell werde aber spätestens mit der zweiten Mahnung und erneut mit der Androhung der Sperrung auf die Unterstütz­ungsmöglic­hkeiten hingewiese­n.

Ab welchem Betrag der Säumige mit einer Stromsperr­e rechnen muss, sei nicht pauschal zu beantworte­n. Das hänge, so Blug, vom Stromanbie­ter ab. Paragraf 19 der Stromgrund­versorgung­sverordnun­g sehe jedoch vor, dass die Androhung oder Durchführu­ng einer Stromunter­brechung verhältnis­mäßig sein muss.

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FOTO:JENS SCHIERENBE­CK/DPA 1577 Saarbrücke­r Haushalten wurde 2016 der Strom abgestellt. Seit 2013 gibt es ein Konzept, um die Zahl möglichst gering zu halten.

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