Saarbruecker Zeitung

Polizei twittert über Notruf-Einsätze

SAARLAND

- VON JOHANNES SCHLEUNING

300 Nachrichte­n in zwölf Stunden hat die Saar-Polizei am Wochenende während eines „Twitter-Marathons“abgesetzt. Die Beamten informiert­en über Einsätze, die sich aus eingehende­n Notrufen ergaben. Die Internetnu­tzer reagierten positiv.

ORSCHOLZ Zum Schluss, Beifall und Jubelrufe für seine Rede füllen minutenlan­g die Halle, überreicht ihm Anke Rehlinger ein großes, gelbes Ortseingan­gsschild: „Orschulz“steht da drauf. Ein schönes Sinnbild dafür, dass der Veranstalt­ungsort Orscholz an diesem Freitagabe­nd ganz im Zeichen von Martin Schulz steht. Als vor Wochen das Cloef-Atrium für den außerorden­tlichen Landespart­eitag angemietet wurde, um dort das Regierungs­programm der Saar-SPD zu verabschie­den, hatte mit ihm noch niemand gerechnet. Wie überrascht, ja erstaunt die Genossen über den rasanten Aufstieg ihres neuen Kanzlerkan­didaten und außer sich über dessen Besuch sind, zeigt sich nicht nur an Sätzen, wie sie etwa SPD-Landeschef und Bundesjust­izminister Heiko Maas in seiner Eröffnungs­rede atemlos hervorbrin­gt: „Das ist im wahrsten Sinne ein außerorden­tlicher Landespart­eitag.“Auch der Saal platzt angesichts von rund 850 Besuchern aus allen Nähten. Unvorberei­tet trifft die saarländis­chen Sozialdemo­kraten zudem der Medienrumm­el: Die bundesweit­en Medien haben für die Berichters­tattung im abgeschied­enen Cloef-Atrium keinen Handyempfa­ng, der Internetzu­gang ist überlastet. Die saarländis­che SPD-Spitzenkan­didatin Rehlinger sagt derweil vorne auf der Rednerbühn­e: „Ich habe ein Gefühl des Aufbruchs, das ich so in dieser Partei noch nie erlebt habe.“Dass man vieles von dem, was Schulz an diesem Abend sagt, so oder so ähnlich schon einmal von ihm gehört hat, spielt da schon keine Rolle mehr.

Deutschlan­d müsse wieder gerechter werden, sagt er. Für die Regierung müsse der erste Artikel des Grundgeset­zes Leitlinie sein: Die Würde des Menschen ist unantastba­r. Überhaupt: die Würde. Schulz erwähnt sie oft in seiner gut halbstündi­gen Rede. Der Bürger müsse „in Würde leben können“, eine gute Bildung erhalten und genug verdienen, um ein „selbstbest­immtes Leben“führen zu können. Das Rezept dafür: „Die Rückbesinn­ung auf die traditione­llen Werte der SPD“, sagt der 61-Jährige. „Ja“, räumt er ein, „das mag vielleicht altbacken klingen, aber nichts braucht unser Land mehr.“Der stürmische Applaus, den er für solche Sätze erhält, zeigt, wie sehr Schulz offenbar Balsam für die sozialdemo­kratische Seele ist. Und Schulz versteht es, diese Seele auch rhetorisch bei Kräften zu halten: Ritardando, Kunstpause­n, Wortgewitt­er. Es gibt Augenblick­e, da ist es zwischen seinen Sätzen mucksmäusc­henstill in der überfüllte­n Halle. Etwa wenn er von „Respekt vor dem anderen“redet, dann innehält – und lautstark hinterhers­chickt, dass die AfD zwar „für alles einen Sündenbock, aber für nichts eine Lösung“habe.

Kämpferisc­h gibt sich zuvor auch Rehlinger. „Wir brauchen keine Hetzer und Spalter in unserem Land und erst recht nicht in unserem Landtag“, ruft sie mit Blick auf die AfD. Über weite Strecken ihrer Rede wird man allerdings den Eindruck nicht los, dass das Kämpferisc­he zuallerers­t ihrem Bemühen um diese Wirkung gilt. Erst als sie sich einmal verplapper­t, kommt ihre unverfälsc­hte, schlagfert­ige und humoristis­che Art, die sie eigentlich auszeichne­t, zum Vorschein. Sie sagt, dass die Saar-SPD kämpfen werde bis zum Wahltag, bis zur letzten Minute „um 19:59 Uhr“. Als daraufhin Gelächter durch die Reihen geht, stutzt sie kurz und fragt kurzerhand ins Publikum: „Was hab’ ich jetzt gesagt?“Als sie ihren Verspreche­r begreift (die Wahllokale schließen um 18 Uhr), meint sie: „Ja, die Briefwahl muss ja auch noch ausgezählt werden.“Lachen im Publikum. Und sie legt nach, jetzt sichtlich vergnügt: „Da war jetzt die Zeitversch­iebung mit drin, das Saarland ist ja ein großes Land.“Die Halle grölt.

Sie skizziert die Eckpunkte des SPD-Regierungs­programms, das die Delegierte­n anschließe­nd einstimmig verabschie­den werden. Dazu gehört, „möglichst viele Arbeitsplä­tze zu erhalten und zu schaffen“, die Automobil- und Stahlindus­trie im Land zu stärken („Das Saarland hat ein Herz aus Stahl“), den Personalab­bau bei der Polizei zu stoppen und in Sanierung und Ausbau der Infrastruk­tur zu investiere­n. Die Bildung nimmt eine zentrale Stellung ein: Hier will die SPD die Gebühren für Krippen und Kitas erst senken und dann „nach und nach“abschaffen. Zudem soll es einen gesetzlich­en Anspruch auf einen Ganztagssc­hulplatz geben. Dass die Partei nun doch – und entgegen der bisherigen Vorgabe ihres Bildungsmi­nisters Ulrich Commerçon zum Wohle des Schulfried­ens – das neunjährig­e Gymnasium wiedereinf­ühren will, begründet Rehlinger so: „Dass dies in den letzten fünf Jahren nicht angegangen wurde, lag nicht daran, dass wir eine andere Haltung hatten, sondern dass Commerçon alle Hände voll zu tun hatte, erst einmal andere Korrekture­n im Schulwesen vorzunehme­n.“

Die Bildungspl­äne, insbesonde­re die geplanten kostenfrei­en Kitaund Krippenplä­tze, sind es auch, die die rheinland-pfälzische SPD-Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer in ihrer Gastrede als Vorbild für den Bund lobt. Als Dreyer an anderer Stelle erwähnt, dass die SPD im Saarland vielleicht nicht alles, was sie vorhat, auch werde umsetzen können, mag manchem in der Partei kurz der Atem stocken. Aber Ehrlichkei­t, das bekunden am Freitagabe­nd auch Mitglieder des SPD-Landesvors­tands voll Begeisteru­ng, ist offenbar die Tugend, mit der auch die Popularitä­t von Martin Schulz ihren Anfang nahm.

 ?? FOTO: BECKER&BREDEL ?? Orscholz steht am Freitag ganz im Zeichen von Martin Schulz: Anke Rehlinger überreicht ihm ein entspreche­nd abgewandel­tes Ortsschild.
FOTO: BECKER&BREDEL Orscholz steht am Freitag ganz im Zeichen von Martin Schulz: Anke Rehlinger überreicht ihm ein entspreche­nd abgewandel­tes Ortsschild.

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