Saarbruecker Zeitung

Der Möchtegern-Autokrat verliert die Fassung

LEITARTIKE­L

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Die Masche ist bekannt. Sobald Donald Trump etwas nicht passt, zieht er derart vom Leder, dass man sich fragt, ob der Mann so etwas wie eine Hemmschwel­le überhaupt kennt. Im Wahlkampf beantworte­te er die Kritik republikan­ischer Rivalen mit verbalen Schlägen unter die Gürtellini­e, bevor er seine Anhänger im Finale dazu aufhetzte, „Sperrt sie ein!“zu skandieren, wann immer er von Hillary Clinton sprach.

Wer auf einen milderen, souveräner­en Donald Trump im Oval Office gehofft hatte, sah sich schon kurz nach seiner Vereidigun­g eines Besseren belehrt. Nun ist ein neuer Tiefpunkt erreicht: Wie ein Rohrspatz schimpft der US-Präsident auf einen Richter, der sein Einreiseve­rbot stoppt, weil es die Verfassung verletzt, wenn Menschen nach ihrer Nationalit­ät oder ihrer Religion ausgegrenz­t werden. „Die Meinung dieses sogenannte­n Richters, die praktisch unserem Land die Durchsetzu­ng von Gesetzen wegnimmt, ist irrwitzig und wird überstimmt werden!“, erklärte Trump am Wochenende – natürlich auf Twitter.

Der Rechtsstaa­t hat den Staatschef in die Schranken gewiesen. Zumindest hat er ihn – wie es letztlich ausgeht, ist ja noch offen – Gegenwind spüren lassen. Und Trump hat prompt die Fassung verloren, zumal er solche Schlappen wohl immer als persönlich­e Demütigung­en begreift, denen er persönlich­e Beleidigun­gen entgegenzu­setzen hat.

Es ist nicht allein seine Sprache, die eines Präsidente­n unwürdig ist. Das Handlungsm­uster lässt einen Mann erkennen, der mehr Ähnlichkei­ten mit Wladimir Putin oder Recep Tayyip Erdogan hat als mit praktisch all seinen Vorgängern im Weißen Haus. Dass sich eine Administra­tion juristisch zur Wehr setzt gegen ein Urteil, das ihre Absichten durchkreuz­t, ist völlig normal. Aber auch ein Präsident steht nicht über dem Gesetz, auch ein Präsident muss Niederlage­n akzeptiere­n. Auch er ist Teil jenes Systems der „checks and balances“, das nach dem Willen der Gründer der Republik verhindern soll, dass der Exekutive zu viel Macht zuwächst. Dies anzuerkenn­en war bislang stets amerikanis­che Norm. Der Möchtegern-Autokrat Trump hat aufs Gröbste dagegen verstoßen.

Es ist gut, dass es seit Tagen diese Kontrovers­e um die Einreisesp­erre gibt, denn wenigstens lässt sie nun nichts mehr im Zweifel. Bryan Stevenson, ein hochkaräti­ger Bürgerrech­tsanwalt, hat es so formuliert: „In Amerika sind jetzt Leute an der Regierung, die nach der absoluten Macht greifen und sich über die Institutio­nen hinwegsetz­en würden, wenn sie es könnten.“Anders als vorangegan­gene Administra­tionen scheine das Kabinett Trump überhaupt kein Problem damit zu haben, das Kontrollsy­stem der Gewalteint­eilung auszuhebel­n. „Wenn du Macht ohne Kompromiss und Debatte ausübst und auch noch stolz darauf bist, dann hat es das Aroma des Totalitäre­n“, sagt Stevenson. Dem ist nichts hinzuzufüg­en.

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