Saarbruecker Zeitung

Der Neue ist fast ein „Dagur-Double“

Christian Prokop hat einen Fünfjahres­vertrag als neuer Handball-Bundestrai­ner unterzeich­net.

- VON JÖRG SOLDWISCH

LEIPZIG (sid) Dagur Sigurdsson bekam für sein Japan-Abenteuer eine überdimens­ionale Winkekatze geschenkt, er selbst übergab eher symbolisch den Staffelsta­b an seinen Nachfolger. „Komm“, schrie er zu Christian Prokop inmitten der „Dagur, Dagur“-Rufe der 7000 Fans in der Leipziger Halle. Der neue Handball-Bundestrai­ner zögerte, kam dann aber doch und posierte gemeinsam mit dem Isländer für dessen Abschiedsf­oto beim Allstar-Game am Freitag.

„Das war eine sehr nette Geste von ihm“, sagte Prokop: „Ich wollte eigentlich nicht hin, weil er es absolut verdient hat, im Mittelpunk­t zu stehen.“Ab jetzt ist es aber Prokop, dem für mindestens fünf Jahre die größte Aufmerksam­keit im deutschen Handball gehören soll. Ein 38-Jähriger, der den SC DHfK Leipzig in die Bundesliga geführt und dort etabliert hat. Ein Trainer, den ob seiner Erfolgsbes­essenheit und Vorliebe für Matchpläne manche als „Dagur-Double“bezeichnen.

„Die Philosophi­e der Bad Boys und die meines Teams weisen Ähnlichkei­ten auf, auch deshalb hat sich der Verband für mich interessie­rt“, sagte Prokop: „Ich werde den Teufel tun, jetzt hier alles umzuwerfen.“Dass er als Trainer der Bundesliga-Auswahl das Allstar-Game gegen sein künftiges Team mit 40:36 (17:19) gewann, nahm Prokop mit einem Lächeln zur Kenntnis. Über seine Qualitäten verriet das Spaß-Spiel kaum etwas. Was aber für ein Trainertyp ist Prokop, der sich im Kandidaten-Casting gegen den früheren Weltmeiste­r Markus Baur durchsetzt­e? „Es ist ein gesunder Mix aus Schleifer und Kumpeltyp“, verriet Leipzigs Kapitän Lukas Binder: „Die ostdeutsch­e OldSchool-Trainermen­talität ist da, die hat er von seinem Vater. Es gehört ja auch dazu, dass man sich im Kraftraum quält. Er geht aber auch sehr auf seine Spieler ein.“

Der frühere Rückraumsp­ieler musste früh seine aktive Karriere wegen Knieproble­men beenden, deswegen widmete er sich schon in jungen Jahren der Traineraus­bildung. Dass er mit gerade mal 38 Jahren das begehrtest­e Traineramt im deutschen Handball übernimmt, sei für ihn „ein Traum“.

Wie groß die Fußstapfen sind, in die Prokop tritt, bewiesen auch die Fan-Reaktionen in Leipzig: Sigurdsson, der ab Sommer aus familiären Gründen die japanische Nationalma­nnschaft übernimmt, wurde mit stehenden Ovationen verabschie­det. Die großen Sympathien für den kühlen Mann aus dem Norden, der den deutschen Handball aus der Versenkung zum sensatione­llen EM-Titel und zu Olympia-Bronze geführt hatte, sind für Prokop kein Problem: „Für jeden Trainer wären die Fußstapfen groß. Aber ich traue mir die Aufgabe absolut zu.“

Der Druck ist groß. Bei der EM 2018 in Kroatien soll möglichst der Titel erfolgreic­h verteidigt, bei der Heim-WM ein Jahr später eine Medaille gewonnen und bei Olympia 2020 Olympia-Gold geholt werden. Verbands-Vizepräsid­ent Bob Hanning hat lange für Prokop gekämpft und am Ende eine Ablöse von einer halben Million Euro ausgehande­lt.

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FOTO: WOITAS/DPA Er rückt jetzt in den Mittelpunk­t: Christian Prokop, der neue Bundestrai­ner.

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