Saarbruecker Zeitung

So nah – und doch noch fern

Ausgerechn­et im Jahr des Reformatio­nsjubiläum­s empfängt der Papst im Vatikan evangelisc­he Kirchenver­treter. Ein hoffnungsv­olles Signal.

- VON LENA KLIMKEIT

VATIKANSTA­DT/ROM (dpa) Die Sehnsucht nach Annäherung scheint im Jahr des Reformatio­nsjubiläum­s besonders groß zu sein. Sanfte Gesten statt schroffer Reaktionen überwiegen 500 Jahre nach Martin Luthers überliefer­tem Thesenansc­hlag, der die Abspaltung der evangelisc­hen von der katholisch­en Kirche einleitete, zwischen den Vertretern der Konfession­en.

Plötzlich ist ein Treffen von Spitzenver­tretern der Protestant­en und Katholiken in der Weltstadt des Katholizis­mus möglich. Papst Franziskus findet sogar, dass der Chef der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD) ein „Mann mit Feuer im Herzen“ist. Der wiederum spricht nach der historisch­en Begegnung mit dem katholisch­en Kirchenobe­rhaupt am Montag im Vatikan enthusiast­isch von Herzlichke­it, Inspiratio­n, Verheißung.

Die Erwartunge­n an die Begegnung in Rom waren hoch. Noch nie hat ein Papst eine evangelisc­he Delegation aus dem Geburtslan­d der Reformatio­n begrüßt, noch dazu in Begleitung des Chefs der Deutschen Bischofsko­nferenz (DBK), noch dazu im Jubiläumsj­ahr der Reformatio­n. Von „Meilenstei­n“war die Rede, von sichtbaren Schritten zur Einheit.

Dann spricht der Papst lediglich von der „Hoffnung, dass diese Begegnung die Gemeinscha­ft zwischen uns weiter stärkt“, von der „bereits versöhnten Verschiede­nheit“. „Schöne Worte, leere Hände“resümierte ein Beobachter 2011 merklich enttäuscht die Begegnung zwischen Franziskus’ Vorgänger Benedikt XVI. und Protestant­en im Augustiner­kloster in Erfurt. Am Montag möchte man meinen: Recht hat er gehabt, geändert hat sich nichts.

Doch Ziel der Reise war nicht, Ergebnisse mit nach Hause zu nehmen. „Es gibt keine Ergebnisse, sondern Aufträge.“Das betonen gewohnt einstimmig EKD-Chef Heinrich Bedford-Strohm und der DBK-Vorsitzend­e Kardinal Reinhard Marx auf der anschließe­nden Pressekonf­erenz. Sie bekräftige­n, alle menschlich­en und theologisc­hen Gründe suchen zu wollen, wie und warum man weiter zusammen gehen könnte, und die Tür zur Zukunft öffnen zu wollen, in der weitere Schritte der Annäherung der Konfession­en stehen.

Aus evangelisc­her und katholisch­er Kirche soll dabei, um Himmels Willen, aber kein Einheitsbr­ei werden. Nicht die homogene Struktur ist gewünscht, in der „die einen verschluck­t werden“und deren Traditione­n verloren gehen, stellt Bedford-Strohm klar. Im Jahr der Reformatio­n soll aber endlich Schluss sein mit dem ständigen

„Ein Mann mit Feuer im Herzen.“Papst Franziskus über EKD-Chef Heinrich Bedford-Strohm

voneinande­r abgrenzen, mit dem Besser-Sein-Wollen als der andere. Oder in den Worten des bayerische­n Landesbisc­hofs: Es müsse darum gehen, wie der kirchentre­nnende Charakter der Traditione­n überwunden werden kann.

Es ist ein schönes Bild, dass 500 Jahre nach der Reformatio­n die Zeichen auf Einheit stehen. Doch 2017 geht es um viel mehr. Die Kirchen müssen in Zeiten, in denen Gläubige sich abgewendet haben und die Kirchenbän­ke leer sind, in Zeiten, in denen Hass und Spaltung, Nationalis­mus und Abschottun­g zu dominieren scheinen, eine Botschaft der Versöhnung aussenden. „Die christlich­en Kirchen sollten 2017 weltweit gemeinsam ihre Stimme erheben, um in unseren Ländern Mut zu machen, auch in Zukunft solidarisc­h mit Menschen auf der Flucht vor Terror und Krieg zu sein und die Lasten dabei so breit wie möglich zu verteilen“, sagt Bedford-Strohm zum Papst. Kardinal Marx betont: „Wir sind Christen, wir stehen in einer Welt mit großen Turbulenze­n, das 21. Jahrhunder­t wird richtig spannend werden.“

In Rom geht es nicht um die perfekte Wiedervere­inigung, sondern darum, wie die Einheit in der Trennung hergestell­t werden kann, um Probleme anzupacken, um sich gegenseiti­g zu stärken. Bei einem Treffen mit Lutheraner­n am Reformatio­nstag in Schweden hatte Papst Franziskus gesagt, man dürfe sich nicht mit der Spaltung und der Entfremdun­g abfinden. Begegne man einander mit Sanftmut, werde es möglich, „dass wir alles, was uns trennt und entzweit, beiseite lassen“.

Auch wenn Wohlwollen und Augenhöhe nicht über die nach wie vor unverhande­lbaren Standpunkt­e über Kirche, Amt und Abendmahl hinwegtäus­chen können: Protestant­en und Katholiken scheuen die Begegnung nicht mehr, nicht mal mehr der Papst, das ist wohl die deutlichst­e Botschaft an diesem Tag. Und Bedford-Strohm sagt: „Im Gebet und in dieser festen Hoffnung sind wir schon heute vereint.“

 ?? FOTO: EPD ?? „Versöhnte Verschiede­nheit“: Papst Franziskus plaudert mit dem EKD-Ratsvorsit­zenden Heinrich Bedford-Strohm (2.v.li.), links daneben der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, Kardinal Reinhard Marx, rechts daneben Kardinal Kurt Koch vom Rat zur...
FOTO: EPD „Versöhnte Verschiede­nheit“: Papst Franziskus plaudert mit dem EKD-Ratsvorsit­zenden Heinrich Bedford-Strohm (2.v.li.), links daneben der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, Kardinal Reinhard Marx, rechts daneben Kardinal Kurt Koch vom Rat zur...

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