So nah – und doch noch fern
Ausgerechnet im Jahr des Reformationsjubiläums empfängt der Papst im Vatikan evangelische Kirchenvertreter. Ein hoffnungsvolles Signal.
VATIKANSTADT/ROM (dpa) Die Sehnsucht nach Annäherung scheint im Jahr des Reformationsjubiläums besonders groß zu sein. Sanfte Gesten statt schroffer Reaktionen überwiegen 500 Jahre nach Martin Luthers überliefertem Thesenanschlag, der die Abspaltung der evangelischen von der katholischen Kirche einleitete, zwischen den Vertretern der Konfessionen.
Plötzlich ist ein Treffen von Spitzenvertretern der Protestanten und Katholiken in der Weltstadt des Katholizismus möglich. Papst Franziskus findet sogar, dass der Chef der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ein „Mann mit Feuer im Herzen“ist. Der wiederum spricht nach der historischen Begegnung mit dem katholischen Kirchenoberhaupt am Montag im Vatikan enthusiastisch von Herzlichkeit, Inspiration, Verheißung.
Die Erwartungen an die Begegnung in Rom waren hoch. Noch nie hat ein Papst eine evangelische Delegation aus dem Geburtsland der Reformation begrüßt, noch dazu in Begleitung des Chefs der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), noch dazu im Jubiläumsjahr der Reformation. Von „Meilenstein“war die Rede, von sichtbaren Schritten zur Einheit.
Dann spricht der Papst lediglich von der „Hoffnung, dass diese Begegnung die Gemeinschaft zwischen uns weiter stärkt“, von der „bereits versöhnten Verschiedenheit“. „Schöne Worte, leere Hände“resümierte ein Beobachter 2011 merklich enttäuscht die Begegnung zwischen Franziskus’ Vorgänger Benedikt XVI. und Protestanten im Augustinerkloster in Erfurt. Am Montag möchte man meinen: Recht hat er gehabt, geändert hat sich nichts.
Doch Ziel der Reise war nicht, Ergebnisse mit nach Hause zu nehmen. „Es gibt keine Ergebnisse, sondern Aufträge.“Das betonen gewohnt einstimmig EKD-Chef Heinrich Bedford-Strohm und der DBK-Vorsitzende Kardinal Reinhard Marx auf der anschließenden Pressekonferenz. Sie bekräftigen, alle menschlichen und theologischen Gründe suchen zu wollen, wie und warum man weiter zusammen gehen könnte, und die Tür zur Zukunft öffnen zu wollen, in der weitere Schritte der Annäherung der Konfessionen stehen.
Aus evangelischer und katholischer Kirche soll dabei, um Himmels Willen, aber kein Einheitsbrei werden. Nicht die homogene Struktur ist gewünscht, in der „die einen verschluckt werden“und deren Traditionen verloren gehen, stellt Bedford-Strohm klar. Im Jahr der Reformation soll aber endlich Schluss sein mit dem ständigen
„Ein Mann mit Feuer im Herzen.“Papst Franziskus über EKD-Chef Heinrich Bedford-Strohm
voneinander abgrenzen, mit dem Besser-Sein-Wollen als der andere. Oder in den Worten des bayerischen Landesbischofs: Es müsse darum gehen, wie der kirchentrennende Charakter der Traditionen überwunden werden kann.
Es ist ein schönes Bild, dass 500 Jahre nach der Reformation die Zeichen auf Einheit stehen. Doch 2017 geht es um viel mehr. Die Kirchen müssen in Zeiten, in denen Gläubige sich abgewendet haben und die Kirchenbänke leer sind, in Zeiten, in denen Hass und Spaltung, Nationalismus und Abschottung zu dominieren scheinen, eine Botschaft der Versöhnung aussenden. „Die christlichen Kirchen sollten 2017 weltweit gemeinsam ihre Stimme erheben, um in unseren Ländern Mut zu machen, auch in Zukunft solidarisch mit Menschen auf der Flucht vor Terror und Krieg zu sein und die Lasten dabei so breit wie möglich zu verteilen“, sagt Bedford-Strohm zum Papst. Kardinal Marx betont: „Wir sind Christen, wir stehen in einer Welt mit großen Turbulenzen, das 21. Jahrhundert wird richtig spannend werden.“
In Rom geht es nicht um die perfekte Wiedervereinigung, sondern darum, wie die Einheit in der Trennung hergestellt werden kann, um Probleme anzupacken, um sich gegenseitig zu stärken. Bei einem Treffen mit Lutheranern am Reformationstag in Schweden hatte Papst Franziskus gesagt, man dürfe sich nicht mit der Spaltung und der Entfremdung abfinden. Begegne man einander mit Sanftmut, werde es möglich, „dass wir alles, was uns trennt und entzweit, beiseite lassen“.
Auch wenn Wohlwollen und Augenhöhe nicht über die nach wie vor unverhandelbaren Standpunkte über Kirche, Amt und Abendmahl hinwegtäuschen können: Protestanten und Katholiken scheuen die Begegnung nicht mehr, nicht mal mehr der Papst, das ist wohl die deutlichste Botschaft an diesem Tag. Und Bedford-Strohm sagt: „Im Gebet und in dieser festen Hoffnung sind wir schon heute vereint.“