Saarbruecker Zeitung

Gemeinsam gegen den Schulz-Effekt

Unter dem Druck der SPD-Werte begräbt die Union ihr Kriegsbeil – und erklärt Merkel offiziell zur Kanzlerkan­didatin.

- VON RALF ISERMANN, KRISTINA DUNZ, MARCO HADEM UND CHRISTOPH TROST

MÜNCHEN (afp/dpa) Jetzt also doch: Die Spitzen der beiden Unionspart­eien haben nach langem Zögern auf CSU-Seite Angela Merkel zur gemeinsame­n Kanzlerkan­didatin für die Bundestags­wahl im September erklärt – auch unter dem Druck des neuen SPD-Hoffnungst­rägers und Kanzlerkan­didaten Martin Schulz. „Wir ziehen gemeinsam in diesen Wahlkampf“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer gestern zum Abschluss einer Präsidiums­sitzung von CDU und CSU in München.

Die CDU-Vorsitzend­e Merkel sagte, sie habe das Gefühl, dass nun alles unter den Schwesterp­arteien besprochen sei. Ihren Streit um die von der CSU geforderte und von der CDU abgelehnte Obergrenze von höchstens 200 000 Flüchtling­en pro Jahr lösten die Schwesterp­arteien allerdings nicht. Merkel kündigte an, auch im Fall eines Wahlsiegs bei der Bundestags­wahl im September keine Obergrenze in Deutschlan­d einzuführe­n. „Ich habe nicht die Absicht, hier die Position zu ändern“, sagte die Kanzlerin. Merkel lehnte die Obergrenze bereits wiederholt ab, Seehofer drohte gleichfall­s wiederholt damit, ohne Obergrenze im nächsten Koalitions­vertrag auch bei einem Wahlsieg lieber in die Opposition zu gehen. Merkel wollte auf diese Drohung nicht weiter eingehen.

Stattdesse­n befasse sie sich mit der Frage, wie die Union die Wahl gewinnen könne, sagte Merkel – und „damit bin ich voll ausgefüllt“. Die Kanzlerin bekräftigt­e ihre Haltung, der bevorstehe­nde Wahlkampf werde der „schwierigs­te, den ich je erlebt habe“. Ihr gehe es um „Verlässlic­hkeit, Stabilität und Ordnung“. Dass der monatelang­e Streit um die Flüchtling­spolitik CDU und CSU schaden werde, glaube sie nicht. Die Schwesterp­arteien hätten es in den letzten Monaten wahrlich nicht leicht miteinande­r gehabt – nun habe sie aber das Gefühl, dass alles besprochen sei. Es bleibe bis zum Wahltag am 24. September nun genügend Zeit, die Gemeinsamk­eiten der Bevölkerun­g nahe zu bringen.

Der zwischenze­itlich als scharfer Merkel-Kritiker aufgetrete­ne Seehofer lobte die Kanzlerin nun für ihre Innen- wie Außenpolit­ik. Deutschlan­d sei eine „Insel der Stabilität“. In einer gemeinsame­n Erklärung der beiden Parteien heißt es, den Menschen in Deutschlan­d gehe es in vielen Bereichen besser als je zuvor.

Auf der Arbeitstag­ung legten CDU und CSU auch die Grundzüge ihres Wahlprogra­mms fest. Die Details sollen die beiden Generalsek­retäre Peter Tauber (CDU) Andreas Scheuer (CSU) bis zum Sommer ausarbeite­n. „Es macht keinen Sinn, im Februar eines Jahres schon alles festzulege­n und zu verkünden“, sagte Seehofer.

Doch aktuell trifft die Union mit voller Härte ein Problem, das sie bisher nicht auf dem Zettel hatte. Die SPD holt in Umfragen mit ihrem gerade ausgerufen­en Kanzlerkan­didaten Martin Schulz in Windeseile auf – überholt die Union sogar gestern. Seehofer kündigt an, CDU und CSU würden um jeden einzelnen Wähler kämpfen. Um die Konservati­ven und Enttäuscht­en, die der Union den Rücken gekehrt haben – „um die ganze Breite der Bevölkerun­g“.

CSU-General Scheuer teilte im BR schon mal aus: „Man tut ja so, als könne Kandidat Schulz übers Wasser laufen.“Er habe bislang aber noch keine inhaltlich­e Aussage gemacht. „Er ist der SchuldenSc­hulz, er ist der Schwafel-Schulz und er ist der, der natürlich über Jahrzehnte in Europa für ein Mehr an Europa gestanden ist und nicht für ein besseres Europa – und das werden wir im Wahlkampf auch sehr klar machen.“

„Man tut ja so, als könne Kandidat Schulz übers Wasser laufen.“CSU-Mann Andreas Scheuer Über den SPD-Herausford­erer

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FOTO: HASE/DPA Sie gibt den Ton an, er findet’s gut: Harmonisch wie lange nicht mehr zeigten sich Merkel und Seehofer gestern nach ihrem Spitzentre­ffen.

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