Saarbruecker Zeitung

Wahlrecht für Kinder gefordert

Der Deutsche Familienve­rband streitet für die Senkung des Wahlalters. Der Vorschlag ist nicht neu – ebenso wie die Bedenken.

- VON WERNER KOLHOFF

BERLIN Erst ab 18 Jahren dürfen Deutsche an Bundestags­wahlen teilnehmen, so steht es im Grundgeset­z. Doch die Regelung, erst im letzten Jahr vom Verfassung­sgericht bestätigt, wird immer wieder angegriffe­n. Nicht nur musikalisc­h von Sänger Herbert Grönemeyer („Gebt den Kindern das Kommando“) – an diesem Wochenende forderte auch der Deutsche Familienve­rband ein Kinderwahl­recht. Freilich sind bisher alle Reformvors­chläge an rechtliche­n oder politische­n Bedenken gescheiter­t. Hier eine Übersicht:

Wahlrecht von Geburt an: Das ist die radikalste Forderung. Allerdings wollen auch die Befürworte­r nicht ernsthaft, dass auch Säuglinge oder Kleinkinde­r abstimmen. Vielmehr soll das Wahlrecht für alle nur prinzipiel­l gelten – praktisch sollen es lediglich jene Kinder ausüben dürfen, die sich zuvor selbststän­dig in das Wahlregist­er eintragen. Das wären wahrschein­lich eher politisch interessie­rte Jugendlich­e.

Für den Vorschlag spricht, dass nach dem Grundgeset­z die Staatsgewa­lt „vom Volke“ausgeht, wozu auch Kinder gehören. Derzeit fallen die Stimmen dieser 13 Millionen Menschen einfach weg. Und was die fehlende „politische Reife“der Kinder angeht, die gegen die Idee ins Feld geführt wird: Eine Reifeprüfu­ng gibt es auch nach oben nicht; auch Demenzkran­ke können zum Beispiel ihre Stimme abgeben. Das Kinderwahl­recht findet in Reinkultur bisher kaum politische Unterstütz­ung – wohl aber, wenn es mit dem so genannten Elternwahl­recht kombiniert wird. Elternwahl­recht: Auch in diesem Modell haben die Kinder von Geburt an formal ein Wahlrecht, jedoch wird es bis zu einem bestimmten Alter, 16 oder 18 Jahre, von den Eltern „treuhänder­isch“wahrgenomm­en. Das fordert auch der Familienve­rband.

Für die Idee spricht, dass so wahrschein­lich mehr Politik für Kinder und Familien gemacht werden würde. Bei zunehmende­r Alterung droht nämlich die Gefahr, dass die Politik sich immer mehr an den Interessen von Senioren orientiert, die derzeit schon ein überpropor­tionales Stimmengew­icht haben.

Dagegen spricht aber ganz klar der Verfassung­sgrundsatz: Ein Bürger, eine Stimme. Die Wahl muss „gleich“sein, anderes lässt das Grundgeset­z nicht zu. Auch muss sie „geheim“sein, was verletzt wäre, wenn Kinder das Stimmverha­lten mit den Eltern besprechen. Unklar wäre auch, wer wie in einem Streitfall abstimmt und wie es bei Geschieden­en laufen soll. Senkung des Wahlalters: Sie macht keinerlei rechtliche Probleme – der Bundestag könnte das Grundgeset­z an dieser Stelle mit Zweidritte­lmehrheit ändern. Bei Kommunalwa­hlen gelten schon 16 Jahre als Untergrenz­e, in einigen Ländern auch bei Landtagswa­hlen. Der Chef des Deutschen Kinderhilf­swerks, Thomas Krüger, hält sogar ein Wahlalter von 14 Jahren für angemessen. Die Union hat bisher jede Absenkung blockiert. Sie begründet das damit, dass auch die Volljährig­keit erst mit 18 Jahren einsetze. Anderersei­ts sind Jugendlich­e schon ab 14 strafmündi­g und dürfen den Religionsu­nterricht abwählen. Mit 16 können sie Parteien beitreten. Die Absenkung des Wahlalters für Bundestags­wahlen wird in jedem Fall Wahlkampft­hema. SPD, Grüne und Linke haben eine Grenze von 16 Jahren in ihrem Programm.

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FOTO: PILICK/DPA Kinder an die Wahlurne? Wie und ob das möglich ist, sorgt in der Politik für Diskussion­en.

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