Saarbruecker Zeitung

Minister wegen Fluglärm unter Druck

Eine Bürgerinit­iative verzeichne­t deutlich mehr militärisc­he Übungsflüg­e. Hat das Saarland eine Handhabe dagegen?

- VON DIETMAR KLOSTERMAN­N UND JOHANNES SCHLEUNING

SAARBRÜCKE­N/DILLINGEN Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) ist sauer. Der St. Wendeler Christdemo­krat nahm gestern am Rande eines Presseterm­ins auf dem Dillinger Bahnhof einen Kraftausdr­uck in den Mund, um seine Enttäuschu­ng zu verdeutlic­hen. „Ich habe ein Gespräch angemeldet bei Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen und beim Drei-Sterne-General Eberhard Zorn. Wir hatten klare Vereinbaru­ngen“, sagte Bouillon der SZ. Doch diese Vereinbaru­ngen, den Übungsbetr­ieb von Militärjet­s über dem mittleren und nördlichen Saarland zu begrenzen, sind Makulatur. Die „Bürgerinit­iative gegen Fluglärm“zählte allein im Januar 360 Flugstunde­n über dem Saarland, im Dezember 2016 seien es noch weniger als 200 gewesen. Damit seien alle Rekorde gebrochen worden, sagte der Sprecher der Bürgerinit­iative, Holger Marzen, dem SR.

„Wir haben das Überwachun­gsgerät wiederholt angeforder­t, wir waren auf einem guten Wege“, erklärte Bouillon. Doch jetzt sei eine Bomberstaf­fel der US Airforce aus Afghanista­n abgezogen worden und auf den Fliegerhor­st in Spangdahle­m in der Eifel verlegt worden. „Die üben jetzt bei uns auch mit der Bundeswehr“, erläuterte der Innenminis­ter die Herkunft des Fluglärm-Rekords. „Das ist ein klarer Verstoß gegen die Vereinbaru­ngen, die wir getroffen haben“, betonte Bouillon. „Ich stehe Gewehr bei Fuß! Mein Staatssekr­etär Christian Seel ist in Kontakt mit dem General“, so der aufgebrach­te Minister. Das Saarland werde sich „massiv beschweren“. Das Verhalten der Amerikaner ärgere ihn sehr, so Bouillon. „Wir geben uns Mühe, wir haben die Reduzierun­g der Flugstunde­n vereinbart“, so Bouillon. Allerdings zeigte er sich skeptisch, dass der Protest des Saarlands in Berlin Erfolg hat. „Ich weiß nicht, ob der Einfluss der Bundesregi­erung, was Amerika angeht, ausreicht“, sagte der Christdemo­krat. Zumal in den USA jetzt eine neue Regierung das Sagen habe.

Unterdesse­n kündigte CDUFraktio­nschef Tobias Hans an, dass sich nun auch Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) persönlich des Themas Fluglärm annehmen werde. Die Staatskanz­lei bestätigte dies auf SZ-Anfrage. „Wir lassen die Bürger nicht allein“, erklärte Hans. Der Fluglärm insbesonde­re im Nordsaarla­nd gehe inzwischen „über das Maß des Erträglich­en hinaus“. SPD-Fraktionsc­hef Stefan Pauluhn nannte die Ankündigun­g von Innenminis­ter Bouillon aus dem Jahr 2015, die Reduzierun­g des Fluglärms im Saarland zur Chefsache zu machen, „vielleicht etwas verfrüht“. Es sei seit den 90er Jahren bis heute nicht gelungen, den Fluglärm im Saarland nachhaltig zu reduzieren. Dennoch müsse die Regierung hier „am Ball bleiben“.

Linken-Fraktionsc­hef Oskar Lafontaine äußerte Zweifel, „ob Bouillons Arm lang genug ist, um in Berlin etwas zu erreichen“. Lafontaine: „Wenn der Druck nicht stark genug ist, dann tut sich nichts.“Die Linke forderte ein Flugverbot ab 17 Uhr, sonntags und in den Ferien sowie eine gerechte Verteilung der Übungsflüg­e über dem Bundesgebi­et.

Der Grünen-Landtagsab­geordnete Klaus Kessler kritisiert­e mit Blick auf den Innenminis­ter: „Bis heute ist nichts besser geworden. Bouillons Bilanz ist eine grandiose Luftnummer.“Die Leidtragen­den „der Erfolglosi­gkeit des Innenminis­ters sind die Bürgerinne­n und Bürger, die unter dem Fluglärm leiden und eine erhebliche Einschränk­ung ihrer Lebensqual­ität in Kauf nehmen müssen“. Kessler fordert sowohl von der Ministerpr­äsidentin als auch von den saarländis­chen Bundesmini­stern Heiko Maas (SPD) und Peter Altmaier (CDU), sich für die Interessen ihres Heimatbund­eslands einzusetze­n.

Auch die Piraten übten heftige Kritik am Innenminis­ter. PiratenFra­ktionschef Michael Hilberer kritisiert­e, dass „Bouillon ganz offensicht­lich weder die Kompetenz noch das politische Gewicht hat, um in Berlin etwas zu erreichen“. Hilberer selbst nannte es „unrealisti­sch“, den militärisc­hen Fluglärm über dem Saarland nennenswer­t reduzieren zu können. „Die Fliegerhor­ste sind nun mal hier in der Nähe und nicht an der Nordsee, wo es keinen stören würde“, erklärte der Pirat. Er schlug stattdesse­n die Einführung einer sogenannte­n Luftraum-Strukturab­gabe vor. Hilberer: „Dann kriegt unser Haushaltsn­otlageland wenigstens Geld für den militärisc­hen Fluglärm.“

„Bouillons Bilanz ist eine grandiose Luftnummer.“Klaus Kessler Grünen-Landtagsab­geordneter

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FOTO: DPA Eine Bürgerinit­iative gegen Fluglärm hat im Januar 360 Stunden militärisc­her Übungsflüg­e über dem Saarland gezählt. Im Dezember 2016 seien es noch weniger als 200 gewesen.

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