Nackte Leiber im Gefühlschaos
Die Saarbrücker Galerie Neuheisel zeigt Arbeiten des Dresdner Malers Henri Deparade
SAARBRÜCKEN Henri Deparades Bilder sind wahre Dramen. Nackte Helden durchleben in seinen Werken die Albträume der griechischen Mythologie. Besonders die Figuren des Orest und der Klytaimnestra scheinen es dem Maler angetan zu haben. Als Klytaimnestra entdeckt, dass Agamemnon die gemeinsame Tochter Iphigenie geopfert hat, lässt sie den Gatten von ihrem Geliebten töten. Agamemnons und Klytaimnestras Sohn Orest flieht und kehrt später zurück, um den Vater zu rächen. Er tötet die Mutter und ihren Geliebten. Die Rachegöttinnnen treiben ihn dafür in den Wahnsinn.
Die Geschichte ist voller Hass, Wut, Gewalt und Verzweiflung. Unzählige Maler und Literaten haben sich in den vergangenen Jahrhunderten daran abgearbeitet. Doch Deparades turbulentes Bilderwirrwarr ist kein warmer Aufguss. Die Geschichten sind für ihn nur archetypische Vorbilder menschlicher Gefühle. Man mag in den Bildern durchaus ein narratives Element erkennen, doch Deparade geht es nicht darum, Geschichten zu erzählen, sondern Emotionen erfahrbar zu machen. Der Maler verdichtet Fragmente der Mythen zu einem einzigen Bild. Die Figuren erscheinen als antike Statuen in teils extremen Posen. Nackte Leiber winden sich da im Gefühlschaos, wutverzerrte Gesichter brüllen dem Betrachter entgegen. Eine besondere Rolle spielt das Gesicht als Ausdruck unmittelbarer Emotion.
Deparade schiebt verschiedene Gemütszustände im Bildraum übereinander. Das erreicht er durch eine figurative Malerei in surreal gefärbten und entgrenzten Bildräumen und durch die Gleichstellung von malerischen mit zeichnerischen Elementen. Umrisse der Figuren übersetzen den Ausdruck der Gesichter in ein Ballett körperlicher Emotionen und ermöglichen gleichzeitig einen Blick hinter den Körper. Insbesondere in den großen Formaten funktioniert das eindrucksvoll und zwingt den Betrachter auf eine visuelle Entdeckungsreise.
Deparade wurde 1951 in Halle geboren und studierte dort in den 1970er Jahren Malerei und Grafik. Heute lebt er in Dresden und ist an der dortigen Hochschule für Technik und Wirtschaft Professor für künstlerisches Gestalten. Nach der Beschäftigung mit Expressionismus und Surrealismus und Zwischenstationen in abstrakter Malerei und Verismus gelangte der Maler in den 2000er Jahren zu den heutigen Bildern, die eine Kombination von alledem verkörpern. Sie sind eine Synthese abstrakter Räumlichkeit mit expressivem Farbverständnis, spontan anmutender Figurenzeichnung und gestischer Malerei bei gelegentlichem Aufscheinen realer Bezüge. Dabei verschwimmen Raum und Zeit und selbst gegenständliche Figuren werden zu verschwommenen Abbildern von Gestern, Heute und Morgen. Das führt zu einer Konzentration auf das Wesentliche und rückt die Emotionen der Figuren in den Vordergrund.
Gelungen ist auch die Präsentation. Galerien sind Orte des Verkaufens und als solche oftmals gezwungen, dem Käufer eine breite Auswahl zu präsentieren. Die Versuchung ist groß, die Räume vollzuhängen. Das jedoch hätte gerade Deparades Bilder erstickt. Umso wohltuender ist die sehr lichte Hängung der Werke, die ihnen Raum zur Entfaltung lässt. .............................................