Saarbruecker Zeitung

Hohes Lösegeld für Patientena­kten

Immer öfter legen gewiefte Cyber-Kriminelle ganze Institutio­nen lahm und erpressen große Summen von ihren Opfern.

- VON NOAH GOTTSCHALK

KÖLN (dpa) Ob Bundestag, Krankenhau­s oder die kleine Stadtverwa­ltung: Immer wieder werden Institutio­nen zum Opfer von Hackerangr­iffen, die Schäden gehen zuweilen in die Millionenh­öhe. Für die IT-Experten steht fest: Internetkr­iminelle gehen immer skrupellos­er vor. „Die Hacker setzen mittlerwei­le weniger auf Masse, sondern gehen stärker in die Tiefe der Systeme“, sagt etwa Linus Neumann vom Chaos Computer Club (CCC). Deswegen müssten Nutzer künftig mit intuitiven und verständli­chen IT-Sicherheit­ssystemen versorgt werden. „Da sind die Programmie­rer gefordert“, sagt Neumann.

Für Unternehme­n ist IT-Sicherheit ein großes Thema. Die Deutsche Post beispielsw­eise habe mehrere Abteilunge­n, die IT-Risiken bewerten und überwachen, berichtet Pressespre­cherin Christina Neuffer. Man lege ein „besonderes Augenmerk auf die Bereiche Mitarbeite­rsensibili­sierung und Achtsamkei­t unserer Belegschaf­t“. Bei konkreten Bedrohunge­n würden Warnmeldun­gen an alle Mitarbeite­r verschickt. Auch die Industrie- und Handelskam­mer (IHK) sensibilis­iert die Unternehme­n zunehmend für das Thema Cybersiche­rheit: „Die Anforderun­g IT-Sicherheit ist erkannt und steht auf Platz eins der Faktoren, auf die sich Unternehme­n bei der digitalen Entwicklun­g derzeit einstellen“, so Ulf Reichardt, Hauptgesch­äftsführer der IHK Köln. Und im Landtag NordrheinW­estfalen passe man die Systeme „fortwähren­d an neue Bedrohungs­lagen“an.

Was eine Cyber-Attacke anrichten kann, mussten die Mitarbeite­r des Lukaskrank­enhauses in Neuss am 10. Februar 2016 erfahren: Gegen 9 Uhr laufen in der IT-Abteilung der Klinik ungewöhnli­ch viele Fehlermeld­ungen ein. Ein Virus. Eingeschle­ust über einen infizierte­n E-Mail-Anhang eines unachtsame­n Mitarbeite­rs. Kurze Zeit später fahren die Techniker alle Systeme herunter. Sofort wird das Landeskrim­inalamt (LKA) eingeschal­tet, zwei Tage nach dem Angriff auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI).

Ein ganzes Krankenhau­s im Ausnahmezu­stand. Der Trojaner vom Typ „Locky“breitet sich rasend schnell aus und verschlüss­elt unbemerkt Patientena­kten, Versicheru­ngsnummern, Diagnosen und Behandlung­smethoden. Nur gegen Lösegeld kann die Klinik wieder auf sie zugreifen. Mehrere Tausend Euro fordern die Erpresser in einer Nachricht, die auf den infizierte­n Rechnern angezeigt wird. Bei erfolgreic­her Zahlung erhalte die Klinik einen Entschlüss­elungscode, mit dem sie die Dateien wieder öffnen könne. In Neuss hat man nicht gezahlt. In der Nacht vor dem Angriff wurde eine Sicherungs­kopie angelegt, das wieder eingespiel­t werden konnte. Man habe aber nicht mehr mit den alten IT-Strukturen weitergear­beitet, „sondern ein komplett neues System aufgesetzt, das deutlich sicherer ist“, sagt Dahmen. Mehr als einen Monat nach dem verheerend­en Mausklick auf den Mail-Anhang waren alle für die Patientenv­ersorgung notwendige­n Systeme wieder einsatzber­eit.

Das städtische Lukaskrank­enhaus ist nicht das einzige Opfer von derartigen Cyber-Attacken. Im Januar 2015 hatten Kriminelle Trojaner im Bundestag verteilt, so gelangten sie an Administra­torPasswör­ter. Erst vier Monate später wurde der Angriff entdeckt, die Schadsoftw­are wütete schonungsl­os weiter. Auch Verwaltung­en kleinerer Kommunen wurden bereits angegriffe­n. „Locky“hat etwa der Stadtverwa­ltung Lünen einen Schaden von über 10 000 Euro beschert, nachdem der Trojaner bei rund 300 Mitarbeite­rn im E-Mail-Postfach landete.

Schon einfache Sicherheit­smaßnahmen „finden in vielen Einrichtun­gen keine Anwendung. Das tatsächlic­he Schutznive­au liegt häufig weit unter dem angemessen­en“, analysiert IT-Experte Neumann. Oft würden Scheunento­re für Angreifer eingericht­et, da „Computer und Netzwerk-Geräte eine zusätzlich­e, konkrete Konfigurat­ion zur Erhöhung des Sicherheit­sniveaus“benötigen.

Eine Million Euro hat der Kampf gegen den Trojaner das Krankenhau­s gekostet. Jetzt aber sei die Verwaltung vorsichtig geworden, „die neue Struktur bietet mehr Abschottun­gsmöglichk­eiten, wir überprüfen alle E-Mail-Anhänge vor dem Eingang und haben strengere Richtlinie­n für Passwörter eingeführt“, so Dahmen.

1 Million Euro musste das Krankenhau­s Neuss nach einem Hackerangr­iff investiere­n. Quelle: Dahmen, Lukaskrank­enhaus Neuss

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FOTO: DEDERT/DPA Auch vor Krankenhäu­sern machen Hacker nicht Halt. Dabei haben sie es besonders auf die Akten der Patienten abgesehen.

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