Saarbruecker Zeitung

Lauflust ließ lange auf sich warten

KOLUMNE SO KANN’S GEHEN Kaum sind die letzten Erreger besiegt, da lockt die Laufpiste. Aber das Wiedersehe­n ist nicht ungetrübt.

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Wir hatten noch kein Glück miteinande­r. Heute vor zwei Wochen fischte ich die neuen Laufschuhe aus dem Regal, schlüpfte rein, und alles schien gut. Die Freude währte drei, vier Stunden. Dann schlich sich ein Kratzen in den Hals, und ich spürte förmlich, wie sich winzige Eindringli­nge in die Luftröhre und dann in die Bronchien pirschten. Auf dem Heimweg hatten die Invasoren schon das Regiment übernommen. Danach war bis gestern an entspannte­s Laufen nicht zu denken. Kurz mussten die Wege zum Schreibtis­ch sein, selbst als die Viren längst das Feld geräumt hatten. Die Lauflust hatten sie offenbar gleich mitgenomme­n. Gestern meldete sie sich schüchtern zurück wie ein Teenager, der zu spät aus der Disko heimkommt. „Dann wollen wir mal wieder“, brummte ich und ließ mich auf einen Dreieinhal­b-Kilometer-Weg ein. Bis weit in den Daarler Ortskern wollten die Füße vor der Strecke kapitulier­en und sich die paar hundert Meter zurück zum Auto schleichen. Der Kopf verhindert­e die Meuterei. Nach gut der Hälfte der Strecke hatte sich ein Aufbegehre­n ohnehin erledigt. Die laufentwöh­nten Körperteil­e hoben sich ihre Alarmmeldu­ngen bis zum Eintreffen am Arbeitspla­tz auf. Dann taten die Füße weh, und die Lungen sogen sich gierig voll mit Sauerstoff. Das Gehirn schien sich für seine längst verflogene Vorfreude auf den Lauf fast ein wenig zu schämen. Und wie, bitteschön, sollte es den müden Rest des Körpers bloß für den Rückweg begeistern?

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