Saarbruecker Zeitung

Kneipenauk­tion wird zur Performanc­e

Im „Kurzen Eck“werden Fundsachen für Kurden in Syrien versteiger­t. 314 Euro kommen zusammen.

- VON DAVID LEMM

ST. JOHANN Im hinteren Teil der Kneipe „Kurzes Eck“im Nauwieser Viertel stapeln sich am Sonntagabe­nd auf dem Tischfußba­ll ein Berg von Jacken, Pullovern und T-Shirts. Auf dem an die Wand geschobene­n großen Stehtisch sind die vergessene­n Habseligke­iten der Kneipenbes­ucher – DVDs, Baseballmü­tzen, Schlüssel, Schmuck – liebevoll auf einer roten Samtdecke drapiert.

Um acht Uhr ist vom Auktionato­r Nicolás Galiana de la Rosa nichts zu sehen. Schließlic­h ist er Spanier, und als solcher lässt man sich Zeit, was die meisten Besucher wissen und erst nach und nach eintrudeln. Nach der „spanischen halben Stunde“fegt der völlig vermummte Auktionato­r ins „Kurze Eck“und begibt sich hinters Pult. „Ruhe bitte im Saal – Handys aus! Durch viele Länder bin ich gereist, aber ich habe Elektra nicht gefunden. Habt ihr Elektra gesehen?“, hebt er mit zitternder Stimme an. Der Beginn der gut vierstündi­gen Auktionspe­rformance, in deren Verlauf Elektra ihre Stimme und natürlich sich selbst wiederfind­et. Elektra hat sich mächtig in Schale geworfen: Nachdem sie Maske, Fahrradhel­m und Ski-Overall abgestreif­t hat, erstrahlt sie im körperenge­n violetten Kleid – die Rückverwan­dlung ist abgeschlos­sen. Wäre da nicht dieser kleine Bart unter der Nase. Aber dem entledigt sich Elektra live mit dem eigens dafür mitgebrach­ten elektrisch­en Rasierer. Fortan betört Elektra die Gäste und leiert ihnen die Euros aus den Taschen, indem sie beispielsw­eise eine „exklusive Jacke aus dem VHS-Seniorenku­rs Angewandte Kunst“und einen MP3Player „Modell Pferdeflüs­terer Philipp“feilbietet.

Elektra kann zwar nicht gut rechnen, aber das ist egal: Sie hat andere Qualitäten. Mit schriller Stimme traktiert sie die Bietenden. Garniert ihre zweideutig­en Schlüpfrig­keiten mit bizarren Keyboard-, Gesangs- und Tanzeinlag­en. Der zufällig ins „Kurze Eck“geratene Neunkirchn­er Thomas ist von Elektras Auktion derart begeistert, dass er für sieben Regenschir­me kurzerhand 25 Euro auf den Tisch legt.

Der gute Zweck rückt mit fortschrei­tender Stunde ins bierselige Bewusstsei­n, frei nach dem Motto: Je später der Abend, desto spendabler die Gäste.

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FOTO: DAVID LEMM Eine etwas andere Auktion gab’s im „Kurzen Eck“.

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