Kneipenauktion wird zur Performance
Im „Kurzen Eck“werden Fundsachen für Kurden in Syrien versteigert. 314 Euro kommen zusammen.
ST. JOHANN Im hinteren Teil der Kneipe „Kurzes Eck“im Nauwieser Viertel stapeln sich am Sonntagabend auf dem Tischfußball ein Berg von Jacken, Pullovern und T-Shirts. Auf dem an die Wand geschobenen großen Stehtisch sind die vergessenen Habseligkeiten der Kneipenbesucher – DVDs, Baseballmützen, Schlüssel, Schmuck – liebevoll auf einer roten Samtdecke drapiert.
Um acht Uhr ist vom Auktionator Nicolás Galiana de la Rosa nichts zu sehen. Schließlich ist er Spanier, und als solcher lässt man sich Zeit, was die meisten Besucher wissen und erst nach und nach eintrudeln. Nach der „spanischen halben Stunde“fegt der völlig vermummte Auktionator ins „Kurze Eck“und begibt sich hinters Pult. „Ruhe bitte im Saal – Handys aus! Durch viele Länder bin ich gereist, aber ich habe Elektra nicht gefunden. Habt ihr Elektra gesehen?“, hebt er mit zitternder Stimme an. Der Beginn der gut vierstündigen Auktionsperformance, in deren Verlauf Elektra ihre Stimme und natürlich sich selbst wiederfindet. Elektra hat sich mächtig in Schale geworfen: Nachdem sie Maske, Fahrradhelm und Ski-Overall abgestreift hat, erstrahlt sie im körperengen violetten Kleid – die Rückverwandlung ist abgeschlossen. Wäre da nicht dieser kleine Bart unter der Nase. Aber dem entledigt sich Elektra live mit dem eigens dafür mitgebrachten elektrischen Rasierer. Fortan betört Elektra die Gäste und leiert ihnen die Euros aus den Taschen, indem sie beispielsweise eine „exklusive Jacke aus dem VHS-Seniorenkurs Angewandte Kunst“und einen MP3Player „Modell Pferdeflüsterer Philipp“feilbietet.
Elektra kann zwar nicht gut rechnen, aber das ist egal: Sie hat andere Qualitäten. Mit schriller Stimme traktiert sie die Bietenden. Garniert ihre zweideutigen Schlüpfrigkeiten mit bizarren Keyboard-, Gesangs- und Tanzeinlagen. Der zufällig ins „Kurze Eck“geratene Neunkirchner Thomas ist von Elektras Auktion derart begeistert, dass er für sieben Regenschirme kurzerhand 25 Euro auf den Tisch legt.
Der gute Zweck rückt mit fortschreitender Stunde ins bierselige Bewusstsein, frei nach dem Motto: Je später der Abend, desto spendabler die Gäste.