Saarbruecker Zeitung

Spendierho­sen sind im Saarland sehr in Mode

ANALYSE Im Landtagswa­hlkampf verteilen die Minister derzeit erstaunlic­h viel Geld.

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N Treffen sich mitten im Landtagswa­hlkampf zwei Bürgermeis­ter. Sagt der eine zum anderem: Na, heute auch schon einen Zuwendungs­bescheid bekommen? Es ist ein Witz, aber er ist in diesen Zeiten bei aller Übertreibu­ng nicht so ganz abwegig. Die Landesregi­erung ist gerade in Spendierla­une. Alle paar Tage überreicht ein Minister irgendwo einen Scheck, vor allem Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) ist aktiv. „Er hat keine Skrupel, Geld auszugeben“, sagt ein Bürgermeis­ter, wobei nicht ganz klar wird, ob das ein Lob oder Kritik sein soll. Das Geld, das Bouillon verteilt, ist zum Teil gar kein Landesgeld, sondern stammt aus einem Topf, der den Kommunen gehört, aber vom Minister verwaltet wird. Viel Geld daraus, sagt Bouillon, wurde in den letzten Jahren nicht abgerufen, weil die Städte und Gemeinden ihren Eigenantei­l nicht bezahlen konnten. Zum Teil sind es auch Bundes- und EU-Gelder, die jetzt verteilt werden, nicht nur vom Innenminis­terium.

„Überhaupt nichts“habe das mit der Landtagswa­hl am 26. März zu tun, sagte Bouillon, als er ein Sonderprog­ramm über 20 Millionen für marode Gemeindest­raßen präsentier­te. Die Erfahrung zeigt indes, dass die letzten Monate vor einer Wahl eine Zeit der guten Nachrichte­n sind – egal, welche Partei regiert. Die Minister heben sich positive Botschafte­n auf, um sie kurz vor der Wahl unters Volk zu bringen. Es soll sogar Minister geben, die ihren Zeitplan, wann sie was präsentier­en, daran ausrichten, in welchen Wochen Infratest dimap Wahlberech­tigte für den SR„Saarlandtr­end“anruft.

Die Liste der guten Nachrichte­n ist lang: Gesundheit­sministeri­n Monika Bachmann (CDU) verspricht Millionen für Krankenhäu­ser und kämpft für deutlich mehr Personal auf den Stationen. Bouillon legt ein Zehn-Millionen-Förderprog­ramm für Schwimmbäd­er auf, um das Bürgermeis­ter seit Jahren gebettelt haben. Bei dieser Gelegenhei­t verspricht er auch gleich den Bau eines neuen Lehrschwim­mbeckens. Dann, wie gesagt, die Millionen für den Straßenbau. „Pünktlich zur Wahl verteilen CDU und SPD mit großer Geste Geld für den Straßenbau, das den Kommunen ohnehin für Investitio­nen zur Verfügung stehen sollte“, mokieren sich die Grünen.

„Es ist eine weit verbreitet­e Gewohnheit, vor den Wahlen die Spendierho­sen anzuziehen und so zu tun, als ob es das eigene Geld sei“, sagt die Linke-Landtagsab­geordnete Birgit Huonker. „Nach der Wahl wird dann geschaut, wo diese Ausgaben wieder eingespart werden können.“Zu wessen Lasten das gehe, dürfte klar sein, meint Huonker, und schafft es, auch in dieser Kritik den Linken-Klassiker, die Forderung nach einer „Reichenste­uer“, unterzubri­ngen. Die Ausgaben, die jetzt bekannt werden, sind nach Darstellun­g der Regierende­n seriös finanziert.

Bildungsmi­nister Ulrich Commerçon (SPD) zum Beispiel präsentier­te im Januar zusammen mit der Kabinettsk­ollegin und SPDSpitzen­kandidatin Anke Rehlinger ein außerplanm­äßiges Fünf-Millionen-Programm für die Schaffung zusätzlich­er Kindergart­enplätze. Das Geld stammt aus einem Investitio­nspaket, das die Landesregi­erung im August beschlosse­n hatte. Von den 30 Millionen ist, koalitions­politisch korrekt, die eine Hälfte für CDU-geführte Ministerie­n reserviert, die andere Hälfte für SPD-Ressorts. Neben den Millionen für die Kindergärt­en sind in dem Paket unter anderem Mittel für schnelles Internet, für ein großes Rechenzent­rum, für Krankenhäu­ser, den Brandschut­z in Behinderte­neinrichtu­ngen, moderne Medien an Schulen, ein Sicherheit­skonzept am Flughafen und die Sanierung von Landstraße­n vorgesehen. Es wäre also nicht verwunderl­ich, wenn demnächst weitere Ministerie­n mit guten Nachrichte­n aufwarten.

Die letzten Monate vor einer Wahl sind seit jeher eine Zeit der guten Nachrichte­n.

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