Saarbruecker Zeitung

Eine Exotin mag sie gar nicht sein

Die 18 Jahre alte Sabrina Simader ist die erste Kenianerin, die an einer alpinen Ski-WM teilnimmt.

- VON THOMAS HÄBERLEIN

ST. MORITZ (sid) 8,68 Sekunden Rückstand. Letzter Platz. Kein Grund, verrückt zu spielen. Oder doch? Am Abend nach dem Super-G der Ski-WM in St. Moritz ist Sabrina Simader erschöpft. Jeder hat etwas von ihr wissen wollen, genau genommen: alles. Im Ziel marschiert­e sie tapfer die lange Reihe der Fernsehsta­tionen ab, Schweiz, Österreich, Italien, Frankreich, USA und so weiter. „Ich hab bestimmt schon 35 Interviews gegeben“, sagt sie mit einem sanften Lächeln. „Nur das deutsche Fernsehen“, wirft ihr Betreuer ein, „wollte nichts“.

8,68 Sekunden Rückstand sind eine ganze Menge, aber nur auf den ersten Blick. Für Sabrina Simader ist es ein Anfang. Als erste Kenianerin hat sie bei alpinen SkiWeltmei­sterschaft­en ein Rennen bestritten. Und wer im Super-G starten darf, der muss schon verdammt gut fahren können. Simader ist viel, viel mehr als eine bessere Hobby-Skifahreri­n. Sie hat Ambitionen. Die Olympische­n Spiele 2018, sagt sie, „sind mein großes Ziel“. Im März reist sie freilich erst mal ins schwedisch­e Åre, zur Junioren-WM. Sie ist erst 18.

Simader ist eine Exotin. Wegen ihrer Hautfarbe. Und weil sie aus Kenia stammt. Aber das ist dann auch schon alles. „Exotin? Den Begriff mag ich nicht so“, sagt sie, denn: „Ich bin ja in den Bergen groß geworden.“In den österreich­ischen Bergen wohlgemerk­t, in St. Johann am Wimberg. Dorthin war sie im Alter von drei Jahren gezogen. Mutter Sarah hatte einen Österreich­er geheiratet, Josef Simader. Der Stiefvater wurde zum liebenden und geliebten Adoptivvat­er. Er war ein ausgezeich­neter Skiläufer, und er besaß selbst einen kleinen Skilift.

Der sportliche Werdegang von Sabrina war also vorgezeich­net, oder? „Früher war es mir immer viel zu kalt“, sagt sie in bestem Deutsch mit oberösterr­eichischem Einschlag. Das änderte sich – und wie: Im Alter von zehn Jahren zog sie mit der Mutter nach Haus in Ennstal, besuchte die naheliegen­de Ski-Hauptschul­e in Schladming, gewann die steirische­n Meistersch­aften im Super-G, im Riesenslal­om und in der Kombinatio­n. „Vielleicht“, sagte Adoptivvat­er Josef damals zu Freunden, „wird die Sabrina die erste kenianisch­e Skiläuferi­n bei Olympische­n Spielen“.

Ein Schicksals­schlag hätte fast dazu geführt, dass Simader ihre Träume hätte ad acta legen müssen. Im Juni 2012 verstarb der geliebte Stiefvater – Herzinfark­t während einer Untersuchu­ng in einer Arztpraxis. Sabrina verlor die Lust am Skifahren. Es waren die Mutter und ihr Trainer Christian Reif, die sie auffingen, motivierte­n, der damals 14-Jährigen neuen Lebensmut gaben. Reif (62) ist mittlerwei­le Trainer, Serviceman­n und Betreuer in einem. „Ich will mich Schritt für Schritt entwickeln“, sagt Simader. In der Ergebnisli­ste des Super-G war der letzte Platz übrigens der 39. Gar nicht so schlecht für den Anfang. Superstar Lindsey Vonn zum Beispiel kam gar nicht ins Ziel.

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FOTO: KAPPELER/DPA Sabrina Simader will es auch zu den Olympische­n Winterspie­len 2018 in Südkorea schaffen.
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