Pulsierende Beats im Ohr
„Future Politics“von Austra zieht die Zuhörer mit seiner Eindringlichkeit und Radikalität in den Bann
Baba Zula „XX“(Glitterbeat/Indigo): Wer Mehmet Levent Akman und Osman Murat Ertel je auf einer Festival- oder Club-Bühne erleben durfte, wird deren aus Krautrock, türkischem Folk, Space Rock und verschlurftem Reggae gewirkte Magie nie vergessen. Und auch nicht deren Wirkung auf das Tanzbein… Dieses Doppel-Album zum 20-jährigen Bestehen enthält zum einen neue Tracks zum Thema, zum anderen Varianten vertrauter Songs, Live-Stücke sowie Dub-Versionen des Back-Kataloges. Keine Geringeren als Mad Professor, Dirtmusic oder die Asian Dub Foundation gaben sich diesbezüglich die Ehre. So sperrig und teils auch langatmig diese zweite CD geriet, so vergnüglich pluckert die erste durch die Boxen – dabei die infizierende Live-Präsenz des Duos immerhin ansatzweise entfaltend. Kaum jemand bestreitet dass das vergangene Jahr weltpolitisch gesehen schwer zu verdauen war. Weshalb es sich nicht gerade einfach gestaltet mit großer Hoffnung nach 2017 zu blicken. Ein Album wie „Future Politics“(Domino) von Austra kommt da sehr gelegen. Denn: es ist nicht weniger als ein flammender Appell – und Katie Stelmanis ist der kreative Kopf der kanadischen Band Austra. Ihre Herzblut-Botschaften verbreitet sie auch weit über ihre Texte hinaus. zwar ohne Zeigefinger, dafür aber mit großartigen Songs, sich in Herz und Hirn gleichermaßen eingravierenden Slogans und überhaupt geradezu berauschender Atmosphäre.
Der Infozettel verspricht „Hymnen für Dancefloor und Kopfhörer“. Absolut zurecht. Wer laut aufdreht merkt das am schnellsten. Erzeugt werden die elf Austra-Hymnen von wunderbar pulsierenden Beats, köstlichen Melodien und der majestätisch starken, gleichwohl schwebenden Stimme von Katie Stelmanis. Sie ist der kreative Kopf dieses Vierers, sie schrieb und produzierte das Repertoire und transportiert ihre HerzblutBotschaft auch weit über die Texte hinaus. „Wir haben die unbedingte Pflicht uns eine bessere Welt vorzustellen – und zwar die bestmögliche!“skandiert die Frau. Und: „Es geht nicht nur darum, Hoffnung in die Zukunft zu setzen, sondern darum, dass jeder gefordert ist, an der Gestaltung der Zukunft mitzuwirken.“Man müsse dabei über Grenzen hinaus denken – und das in jedem Bereich. An dieser Stelle ist ein Abgleich dieser kämpferischen Forderungen mit den musikalischen Ergebnissen von „Future Politics“obligat. Schließlich handelt es sich hier um eine Musik-Seite…
Folgendes Zitat der Künstlerin taugt trefflich als Übergang zur Bewertung des ambitionierten Projektes: „Wenn man in der kulturellen Landschaft Wandel bewirken will…ist es ganz essenziell den Mainstream zu verändern.“Genau an diesem Anspruch darf hier also gemessen werden. Man kann es kurz machen: schiebt man die unweigerlich hypnotisierende Wirkung dieser Dreiviertelstunde einmal kurz beiseite und bemüht zwischenzeitlich seinen klaren Verstand reicht das Fazit tatsächlich weit über Begriffe und Eindrücke wie „SynthiePop“, „treibende Rhythmik“, „Drama“oder „Eindringlichkeit“hinaus – und darf folgendes hinzu addieren: „Radikalität“, „enormes Sendungsbewusstsein“,„unendliche Ideen-Pools“oder auch „modernste Technik“. Ja, der Wink in die Zukunft ist jederzeit spürbar. Und zugleich unglaublich ansteckend. Schon dem Eröffnungs-Trio mit „We Were Alive“, dem Title-Track und „Utopia“ist man augenblicklich erlegen. Und dieser Bann lässt bis zum letzten Ton kein bisschen nach. Mit jedem Durchlauf wird er gar noch stärker.
Die beiden Vorgänger-Alben hatten das Talent von Austra angedeutet, nun steht die Kunst in vollster Blüte. Ab damit auf die Tanzflächen, in die Kopfhörer und auf die Bühnen (im März auf Tour) dieser Welt! Es bedarf dringend solcher Impulse.
Mit „Boots No. 1: The Official Revival Bootleg“gibt Gillian Welch Alternativ-Aufnahmen und Demos zum Besten Seth Avett von den wunderbaren Neo-Folkies The Avett Brothers attestiert Gillian Welch und ihrem kongenialen musikalischen Partner David Rawlings „Schlichtheit, Finesse, Zeitlosigkeit und Magie“und meint damit natürlich auch: der Einfluss auf die eigene Band war und ist beträchtlich…
Nun, der Kult um Welch & Rawlings begann unzweifelhaft bereits mit deren Debüt „Revival“vor exakt zwanzig Jahren. Seither versammelt sich eine ständig wachsende Fan- Gemeinde um ihren fabelhaften, stets der Tradition verhafteten, streng akustischen CountryFolk.
Weitere Meisterwerke entstanden, doch zunächst soll aktiven Bootleggern mit dem programmatischen „Boots No.1: The Official Revival Bootleg“(Acony Records/H’Art) der Wind aus den Segeln genommen werden. Diese Doppel-CD beherbergt neben Alternativ-Aufnahmen der vertrauten Stücke auch Songs, die es damals nicht aufs Album schafften sowie außerdem frühe Demos. Besondere Beachtung verdient dabei natürlich eine spartanische WohnzimmerVersion von „Orphan Girl“. Bereits hier ist alles vorhanden, was uns an dieser Musik (und all den restlichen hier versammelten zwanzig Tracks) so fasziniert: Die Unmittelbarkeit, das Uneitle, das Sehnsüchtige, das Filigrane und natürlich: siehe das zuvor erwähnte Zitat von Seth Avett … alh