Saarbruecker Zeitung

Steinbrück und Schäuble im Kreuzverhö­r

Der ehemalige und der amtierende Finanzmini­ster müssen vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss Stellung zu Cum-Ex-Deals nehmen.

- VON STEFAN VETTER

BERLIN Die sogenannte­n Cum-ExDeals waren über viele Jahre eine Möglichkei­t, den Staat um Kapitalert­ragssteuer zu prellen. Schon seit Anfang 2016 beschäftig­en sich 16 Mitglieder im Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestage­s mit der Frage, warum gut betuchte Anleger dieses gigantisch­e Steuerschl­upfloch nutzen konnten, obwohl dem Bundesfina­nzminister­ium schon frühzeitig Hinweise über die dubiose Praxis vorlagen. Bislang hat das Gremium 37 Mal getagt und dabei fast 80 Zeugen angehört, darunter ein Dutzend Bankenvors­tände. Wegen laufender Gerichtsve­rfahren machten viele jedoch von ihrem Auskunftsv­erweigerun­gsrecht Gebrauch. „Schon daran lässt sich die Dimension dieses Falls erkennen“, sagt der grüne Ausschuss-Obmann Gerhard Schick im Gespräch mit unserer Redaktion.

Der kryptische Name „Cum-Ex“heißt übersetzt „Mit-Ohne“. Durch windige Konstrukti­onen beim Aktienhand­el mit oder ohne Dividenden­anspruch konnten sich Nutzer zwischen den Jahren 2002 und 2012 die Kapitalert­ragsteuer gleich mehrfach vom Staat erstatten lassen. Experten schätzen den Schaden für die Allgemeinh­eit auf mindestens zwölf Milliarden Euro.

Eine ähnliche Form der Steuerverm­eidung waren so genannte Cum-Cum-Geschäfte, die erst 2016 unterbunde­n wurden. Dabei verliehen ausländisc­he Aktieneign­er ihre Papiere genau dann an inländisch­e Banken, wenn die steuerpfli­chtige Dividende fällig wurde. Auch dadurch kam es zur Erstattung der Kapitalert­ragsteuer. Die Verluste für den deutschen Fiskus werden hier auf bis zu fünf Milliarden Euro pro Jahr zwischen 2006 und 2016 geschätzt.

„Cum-Ex ist für mich eindeutig kriminell“, erläutert Schick. „Das ist praktisch so, als würde man pro Kind mehrfach Kindergeld kassieren, nur eben in viel größerem Ausmaß.“Bei Cum-Cum liegt die Sache juristisch anders. Hier ist der Vorwurf, es handele sich um missbräuch­liche Steuergest­altung. „Bei Cum-Cum ermitteln deshalb nicht wie bei Cum-Ex die Staatsanwä­lte, sondern es geht darum, dass die Finanzämte­r das zu viel ausbezahlt­e Geld zurückford­ern“, so Schick.

Von Peer Steinbrück, der zwischen November 2005 und Oktober 2009 Bundesfina­nzminister war, erhofft sich der Ausschuss in seiner Sitzung am kommenden Montag mehr Licht im Cum-ExDunkel. Erste Anhaltspun­kte für den Skandal gab es bereits im Jahr 2002. Doch erst zehn Jahre später kam es zu einem wirksamen gesetzlich­en Riegel. Eine zwischenze­itlich unter Steinbrück beschlosse­ne Gegenmaßna­hme hatte „Cum-Ex“eher noch angefacht. „Mir ist schleierha­ft, warum der Staat hier so lange zuschaute“, empört sich Schick. In der Amtszeit Steinbrück­s habe es eine geradezu „naive Kooperatio­n“zwischen Banken und Ministeriu­m gegeben. Die Cum-Cum-Deals schienen einer vergleichb­aren Dramaturgi­e zu folgen. Erste Hinweise darauf gab es sogar schon Ende der 1970er Jahre. Jetzt wurde ein Schreiben des früheren Münchner Oberbürger­meisters Christian Uhde (SPD) vom Juni 2011 bekannt, in dem er den bereits damals amtierende­n Finanzress­ortchef Wolfgang Schäuble (CDU) wissen ließ, dass er Erkenntnis­se über die Unterstütz­ung deutscher Banken zur Vermeidung der deutschen Kapitalert­ragsteuer für ausländisc­he Anleger habe. Trotzdem unterband Schäuble die Praxis erst 2016. Die Altfälle bleiben davon allerdings unberührt. Ob jetzt die Finanzämte­r die Banken zu Rückzahlun­gen zwingen sollen, ist derzeit zwischen Bund und Ländern strittig.

„Offenbar will Schäuble den Banken Nachzahlun­gen ersparen, zulasten der Steuerzahl­er“, kritisiert Schick. Dem Ausschuss soll Schäuble am kommenden Donnerstag Rede und Antwort stehen.

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Peer Steinbrück soll in seiner Amtszeit als Finanzmini­ster Cum-Ex-Geschäfte noch befeuert haben.
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FOTOS: DPA Wolfgang Schäuble wird vorgeworfe­n, die Banken vor Rückzahlun­gen zu bewahren.

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