Saarbruecker Zeitung

Berlinale-Eröffnung: zügig gezupft, zäh erzählt

„Django“über den Gitarriste­n Django Reinhardt hat gestern die 67. Berlinale eröffnet – und niemandem vom Kinositz gerissen.

- VON SASCHA RETTIG

BERLIN Mitgewippt haben schon ein paar Füße im Publikum. Ganz entziehen kann man sich Django Reinhardts Musik schließlic­h nicht: dem mitreißend­en GypsySwing dieses Virtuosen an der Gitarre, den er in schwindele­rregendem Tempo zupfte. Einen stimmungsa­ufhellende­n Auftakt hat Etienne Comars „Django“den 67. Internatio­nalen Filmfestsp­ielen von Berlin gestern dennoch nicht beschert. Der Eröffnungs­film, ungewöhnli­cherweise ein Regiedebüt, passt vielmehr zum Ruf der Berlinale als politische­m Festival.

Schließlic­h gehört „Django“nicht nur zu den seltenen Filmen, die das Schicksal der Sinti und Roma während der NS-Zeit thematisie­ren; sondern er greift auch eine besonders komplexe Phase aus dem Leben der Jazz-Legende heraus. Mit Reda Kateb in der Titelrolle und Cécile de France als Geliebte geht es um die Jahre 1943 bis 1945, im von den Nazis besetzten Frankreich. Obwohl Reinhardt ein gebürtiger Manouch, also ein Sinti, ist, wollen die Nazis, dass er in Deutschlan­d auftritt. Selbst vor Goebbels, vielleicht sogar vor Hitler. Wie geht der Musiker damit um? Welche Verantwort­ung hat er in solch einer Situation?

„Mir ist egal, für wen ich spiele“, sagt er am Anfang noch. Doch schnell wird klar, dass die Nazis auch Roma und Sinti verfolgen und ermorden – auch er ist nicht mehr sicher. Mit seiner Frau und seiner Mutter reist er an die Grenze, wo sie lange auf die Schlepper warten, die sie über einen See auf die Schweizer Seite bringen sollen. „Django“vermeidet zwar den Fehler vieler Filmbiogra­fien, ein ganzes Leben in zwei Stunden abhandeln zu wollen. „Ich wollte mich auf diese beiden Schlüsselj­ahre konzentrie­ren, wo so viel passierte“, erklärte Regisseur Comar bei der Berlinale-Pressekonf­erenz. „Was machen Künstler in so schwierige­n Zeiten? Wir finden da viele Entsprechu­ngen auch zur Gegenwart. Deshalb fand ich diese Zeit, diese Persönlich­keit besonders fasziniere­nd.“

Allerdings schafft es der Franzose weder, ein vielschich­tiges Bild seiner schillernd­en Hauptfigur zu zeichnen, noch wirklich mitreißend von ihr zu erzählen. Der Film hat einen trägen Rhythmus, lässt im Mittelteil recht kalt und ist längst nicht so spannend wie das, wovon er erzählt, und wie die Fragen, die er aufwirft. Um die Freiheit der Kunst in einem repressive­n System geht es, um Verfolgung von Minderheit­en und Andersdenk­enden – Themen auch unserer Gegenwart.

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