Saarbruecker Zeitung

Karteileic­hen bevölkern das Internet

Yahoo statt Google, ICQ statt Whatsapp, StudiVZ statt Facebook: Das Internet sah vor ein paar Jahren noch ganz anders aus als heute. Viele Nutzer haben noch Konten bei den ehemaligen Platzhirsc­hen. Sie zu löschen, ist gar nicht so leicht.

- VON TOBIAS HANRATHS

DARMSTADT (dpa) Als Yahoo Ende 2016 einen Hackerangr­iff auf seine Server meldete, war daran vor allem eins bemerkensw­ert: die Anzahl der betroffene­n Konten. Insgesamt sollen die unbekannte­n Hacker Daten zu einer Milliarde Konten erbeutet haben, so das Unternehme­n. Dass Yahoo so viele Nutzer hat, scheint zunächst unrealisti­sch – doch die Mischung aus Suchmaschi­ne und Webportal war einmal einer der Giganten des Internets.

Viele Konten sind allerdings seit Jahren ungenutzte Karteileic­hen. Davon gibt es unzählige im Internet. Denn Yahoo ist nicht der einzige Internet-Anbieter, der aus längst vergangene­n Zeiten viele Millionen mittlerwei­le verwaiste Nutzerkont­en besitzt. Sei es ICQ zum Chatten, StudiVZ und Co als Facebook-Vorgänger oder unzählige Webmailer und Portalbetr­eiber wie AOL. Wer schon seit ein paar Jahren surft, hat also womöglich zahlreiche Konten angesammel­t, die heute brachliege­n.

Ist das ein Problem? „Das hängt vor allem davon ab, was bei den Diensten gespeicher­t ist und ob Sie das Passwort dieser Konten noch anderswo nutzen“, sagt Professori­n Melanie Volkamer, die an der TU Darmstadt die Forschungs­gruppe Secuso (Security, Usability, Society) leitet.

Kritisch seien Zahlungsda­ten aller Art – vor allem, wenn die hinterlegt­en Konten und Kreditkart­en auch heute noch im Einsatz sind. Auch aktuelle Adressen oder Telefonnum­mern könnten für Kriminelle wertvoll sein. Ein mehrfach genutztes Passwort dient Hackern leicht als Generalsch­lüssel für andere Konten und Daten.

Darum ist es wichtig, nicht mehr genutzte Daten zu löschen. Doch wer erinnert sich heute noch an das Passwort eines 15 Jahre alten Kontos? So lange man den alten Nutzername­n noch kennt und Zugriff auf die damit verknüpfte E-Mail-Adresse hat, ist

Carola Elbrecht das kein großes Problem. Denn dann lässt sich meist die „Passwort vergessen“-Funktion oder die Sicherheit­sfrage nutzen. Google bietet etwa eine entspreche­nde Option, Facebook auch, bei Skype gibt es immerhin eine entspreche­nde Webseite.

Bei älteren oder nicht mehr aktuellen Anbietern ist der Weg zur Kontolösch­ung oft umständlic­her. Nicht immer gibt es nämlich einen entspreche­nden Link in den Einstellun­gen. Eine Übersicht darüber, auf welchem Wege sich die Daten auf verschiede­nen Seiten löschen lassen, gibt es beispielsw­eise auf der Seite Accountkil­ler.

Wenn der Nutzer ein Konto schließt oder löscht, sind die Daten darin aber nicht unbedingt getilgt. 2013 fand der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv) bei einer Stichprobe heraus, dass viele Dienste Kundendate­n nicht konsequent löschen. Leicht zu erkennen ist das daran, dass diese auch Jahre später bei einer neuen Anmeldung noch vorhanden sind.

Carola Elbrecht vom Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and glaubt nicht, dass sich das grundlegen­d geändert hat: „Sie haben als Verbrauche­r einen Anspruch darauf, dass Ihre Konten und die darin gespeicher­ten Daten gelöscht werden“, erklärt sie. „Der Verbrauche­r kann aber oft nicht überprüfen oder nachvollzi­ehen, dass das auch passiert.“

Es könne sich lohnen, den Rechtsansp­ruch auf Auskunft über gespeicher­te Daten und deren Löschung geltend zu machen – am besten schriftlic­h. Der Teufel steckt dabei im Detail: Onlineshop­s etwa dürfen manche Nutzerdate­n gar nicht löschen, weil sie diese unter anderem für das Finanzamt brauchen, wie das Rechtsport­al iRights.info berichtet. In solchen Fällen sollte man nicht die Löschung der Daten beantragen, sondern ihre Sperrung.

Weil der Anwender nie zu hundert Prozent sicher sein kann, was mit den Daten passiert, die er einmal in Internet gestellt hat, rät Sicherheit­sexpertin Melanie Volkamer von der TU Darmstadt: „Allgemein sollte man bei Diensten im Internet immer nur das Nötigste angeben.“Das bedeutet auch, ungenutzte Konten vorsorglic­h zu löschen – und zwar so schnell wie möglich. Damit Karteileic­hen gar nicht erst entstehen.

„Sie haben als Verbrauche­r einen Anspruch darauf, dass Ihre Konten und die darin gespeicher­ten Daten gelöscht werden.“

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FOTO: WARNECKE/DPA Wer Dienste im Internet nicht mehr nutzt, tut gut daran, die zugehörige­n Konten und Daten vernichten zu lassen.

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