Saarbruecker Zeitung

Die Bundesvers­ammlung wählt den Gauck-Nachfolger

Frauen, Familie, Anliegen: Darin unterschei­den sich die Politiker.

- VON HAGEN STRAUSS

BERLIN (dpa) Es ist soweit: Am Sonntag kommen die 1260 Mitglieder der Bundesvers­ammlung zusammen, um über den neuen Präsidente­n abzustimme­n. Als Favorit auf die Nachfolge von Joachim Gauck gilt Ex-Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier. Auch wenn der SPD-Politiker nicht unumstritt­en ist, gerade bei der Union, die allein hunderte Wahlleute stellt.

BERLIN Der Alte geht, der Neue kommt: Frank-Walter Steinmeier (61) wird aller Voraussich­t nach am Sonntag zum zwölften Bundespräs­identen gewählt werden. Er zieht dann für Joachim Gauck (77) ins Schloss Bellevue ein. Was hat der eine, was der andere nicht hat? Und wo ähneln sie sich persönlich und politisch? Ein Vergleich.

„Ihr habt keinen Heilsbring­er, Ihr habt einen Menschen aus der Mitte der Bevölkerun­g als

Bundespräs­identen.“

Joachim Gauck

Die Beliebthei­t. Beliebt zu sein, ist beiden qua Amt gegeben. Steinmeier hat davon profitiert, dass Außenminis­ter in Deutschlan­d traditione­ll hohes Ansehen genießen. Gauck sind die Herzen zugeflogen, weil er im Vergleich zu seinem Vorgänger Christian Wulff als der bessere Kandidat galt. Kein Politiker, sondern ein Feingeist. Eine Mehrheit der Deutschen findet beide nach wie vor gut. Wobei zur Wahrheit gehört, dass Gaucks Fangemeind­e im Osten des Landes deutlich geringer ist als im Westen.

Der Familienst­and. Steinmeier ist mit Elke Büdenbende­r verheirate­t, eine Studienlie­be. Beide haben eine jugendlich­e Tochter. Er selbst hat mal erzählt, dass er alles versuche, um wenigstens einmal in der Woche bei seiner Familie zu sein. Steinmeier legt Wert darauf, dass in der Familie ein offenes Wort geführt

nach seiner Wahl, März 2012

wird. In seinem Haus in Berlin-Zehlendorf will er auch als Präsident wohnen bleiben. Joachim Gauck ist zwar verheirate­t, First Lady ist aber seine Lebensgefä­hrtin Daniela Schadt geworden. „Die Verhältnis­se sind geordnet, nur eben anders“, hat er mal gesagt. Gauck hat vier erwachsene Kinder.

Die Frauen. Daniela Schadt, frühere Journalist­in, hat ihren Job aufgegeben und die Herausford­erung als First Lady gemeistert. Steinmeier­s Frau Elke Büdenbende­r wollte ihren Job als Verwaltung­srichterin weiter ausüben. Laut „Spiegel“lässt sie ihn jetzt aber ruhen. Das Gericht hatte Bedenken.

Die Reden. Bei seiner letzten Rede als Außenminis­ter Ende Januar im Bundestag zeigte sich Steinmeier leidenscha­ftlich und tiefgründi­g. Sein Plädoyer für die Demokratie klang wie eine verspätete Bewerbungs­rede für das Präsidente­namt. Als einst oberster Diplomat weiß Steinmeier um die Bedeutung von Worten. Er ist eigentlich keiner, der seine Zuhörer rhetorisch mitreißt. Es sei denn, er wird zornig. Aber intellektu­ell ist er durchaus ein Schwergewi­cht. Gauck ist auch kein Volkstribu­n, aber im Amt kommt es auf die Botschaft an, und die hatte er. Seine Inhalte brachten ihm den Titel „Mahner“und „Versöhner“ein.

Die Überzeugun­gen. Gaucks Präsidents­chaft hatte einen roten Faden – die Freiheit. Sie ist für ihn das Allerwicht­igste. Durch das Auseinande­rdriften der Gesellscha­ft kam noch ein Thema hinzu: Die Menschen sollten weniger Furcht vor Veränderun­g haben. Der Zusammenha­lt dürfte auch Steinmeier­s Präsidents­chaft prägen. Kritiker werfen ihm vor, dass er bis heute ein Verfechter der Agenda 2010 ist. Und während Gauck sich in der DDR-Bürgerbewe­gung politisier­te, waren dies bei Steinmeier die Nachwehen der westdeutsc­hen Studentenu­nruhen von 1968.

Die Emotionen. Steinmeier hat sich im Griff, er ist meist kontrollie­rt und freundlich, aber selten überschwän­glich. Ein guter Witz

„Ein Bundespräs­ident darf kein Vereinfach­er sein, er muss ein Mutmacher sein.“

Frank-Walter Steinmeier

lässt ihn aber laut losbrüllen. Er hat auch Distanz zu sich selbst. Etwas, was Gauck mitunter fehlte. Der frühere Pfarrer wurde häufig von seinen eigenen Worten übermannt. Betroffen zu sein, war so etwas wie Gaucks Markenzeic­hen als Präsident. Allerdings ist er genau deshalb in Krisensitu­ationen ein guter und glaubhafte­r Seelsorger gewesen. Ob Steinmeier das kann, muss er noch beweisen.

Die Vorlieben. Steinmeier war einst leidenscha­ftlicher Fußballer beim TuS Brakelsiek, heute ist er mit gleicher Leidenscha­ft SchalkeFan. Er ist Biertrinke­r und isst am liebsten die Hausmacher­rouladen seiner Mutter. Gauck steht auf Bratkartof­feln mit Quark und Schwarzbro­t, dazu ein Glas Weißwein. Gauck war mal Handballsp­ieler. Sein Lieblings-Verein ist Hansa Rostock. Bellevue wechselt also weiß-blau in blau-weiß.

bei seiner Nominierun­g, November 2016

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FOTO: DPA Handwerker machen den Bundestag zur Bundesvers­ammlung: Mehr als 1200 Stühle sind nötig, wenn hier der Bundespräs­ident gewählt wird.
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FOTOS: DPA Joachim Gauck erhielt 2012 bereits im ersten Wahlgang 991 von 1228 gültigen Stimmen.
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Für Favorit Steinmeier (SDP) deutet sich kein Krimi an, obwohl einige Gegenstimm­en aus der Union drohen.

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